Bergamo: „Don Pasquale“

Aufführung am 17.10.15

(Premiere am 15.10.15)

Eine Farce und weiter nichts

Dieses Meisterwerk Gaetano Donizettis, Höhe- und Schlusspunkt einer italienischen Buffatradition, welche die Frühlingsgefühle alter Herren verlachte und manchmal auch recht hart bestrafte, bedarf seitens der Regie besonderen Einfühlungsvermögens, denn niemals zuvor war der Wunsch eines betagten Mannes nach Gesellschaft und Heiterkeit psychologisch so überzeugend dargestellt worden (man denke nur an die Freude in Erwartung zahlreicher Kinder) und noch viel weniger die Erschütterung, nachdem er von seiner jungen Frau eine Ohrfeige erhalten hat („Hai finito, Don Pasquale“).

In Bergamo setzte Regisseur Andrea Cigni genau auf das Gegenteil, nämlich auf oberflächliche Gags und Blödeleien. Mochte Pasquales Sparsamkeit im einen Riesensafe darstellenden Bühnenbild von Lorenzo Cutúli (der auch für die Kostüme verantwortlich war) noch unterhaltsam illustriert werden, so war es nicht richtig, ihn als gänzlich negativen Geizkragen darzustellen, der – wie weiland Don Bartolo – ständig alle Türen verschloss und nur an sein Geld dachte. Umgekehrt wurde auch die Liebesgeschichte Norina-Ernesto nicht ernst genommen, denn hier wurde die junge, schlaue Witwe in einem ironisch-kitschigen Blumenparadies gezeigt, was so gar nicht zu der selbstbewussten Figur passt.

Der allergrößte Fehler der Regie war aber, Doktor Malatesta als unansehnliche Schwuchtel zu zeigen, eine Figur, der sich der konservative Pasquale (trotz Verlegung der Handlung in die Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts) nie vertrauensvoll genähert hätte. Dazu kam die Manie, während der Gesangsnummern störende Aktivitäten zu zeigen, so versuchte Malatesta während seines Duetts mit Norina, Schmetterlinge zu fangen (!) oder ein aus unerfindlichen Gründen auf Andy Warhol geschminkter Diener Pasquales musste während Ernestos „Cercherò lontana terra“ in aufdringlicher Weise die Koffer des jungen Mannes packen (ein weiterer Diener war übrigens auf Charlie Chaplin geschminkt). Wirklich gelungen war nur die Szene, in der Norina als Marilyn-Verschnitt über eine Welt von Modeparasiten herrschte, und der anschließende Dienerchor, wo die Choristen in den Zuschauerraum hinab stiegen und Banknoten mit dem Konterfei Donizettis auf die Besucher regnen ließen.

Da die Produktion zusammen mit acht französischen kleineren Häusern (wie etwa Reims, Limoges, Massy usw.) finanziert worden war, sah man am Schluss in Leuchtschrift „Rome, Je t’aime“ (offenbar, weil die Handlung in Rom spielt). Dazu ertönten vor Vorstellungsbeginn und (besonders störend) nach dem Ende Rom besingende Schlagen (wie z.B. „Arrivederci, Roma“). Ich habe mich selten so geärgert und muss gestehen, dass sich mein Ärger angesichts der schenkelklopfenden Heiterkeit im Publikum, bei welchem diese Regie ein großer Erfolg war, noch steigerte.

Der musikalische Aspekt des Unternehmens wurde durch einen Künstler vom Rang Paolo Bordognas gerettet, der sich in dieser Regie merklich nicht wohl fühlte und durch stimmlichen Ausdruck rettete, was zu retten war. Von ihm waren all die Nuancen zu hören, die uns die Regie vorenthielt, und die Szene mit der Ohrfeige wurde zum rührenden Zeugnis einer in diesem Moment vernichteten Existenz. Umgeben war Bordogna von jungen Kollegen, die sich der Regie fügten. Vor allem der spanische Bariton Pablo Ruiz litt als Malatesta unter der völligen Verzerrung der darzustellenden Figur. An sich klang sein lyrischer Bariton angenehm. Mit gutem Aussehen war Maria Mudryak aus Kasachstan eine gewandte Norina, deren Sopran über die Rolle hinauswuchs. Allerdings handelt es sich um eine vibratobehaftete Stimme mit der Neigung zum Forcieren der Höhe. Auch Piero Adaini als Ernesto war szenisch gewandt und überzeugend, sang auch seine große Arie und Cabaletta trotz einiger zu nasaler Töne recht anständig, enttäuschte aber in der Romanze des dritten Akts, die im Einheitsforte viel zu monoton geriet. Der Notar von Claudio Grasso entsprach den von der Regie vorgesehenen Blödeleien. Das Dirigat des Amerikaners Christopher Franklin am Pult des Orchesters I Pomeriggi Musicali di Milano klang nach müder Routine. Lobenswert der Einsatz des Coro di OperaLombardia in der Einstudierung von Diego Maccagnola.

Bilder (C) Fondatione Donizetti

Eva Pleus 23.10.15