Duisburg: „N bisschen Frieden“ Ralph Siegel

Das Theater am Marientor in Duisburg zählt nach wie vor zu einem der schönsten Theater in Deutschland, doch in den letzten Jahren drehten sich die Schlagzeilen eher um die Schließung des Hauses oder die Nutzung als Impfstelle und weniger um den eigentlichen Theaterbetrieb. Seit einiger Zeit finden in dem schönen Theatersaal wieder regelmäßig Gastspiele statt. Am Donnerstag, den 20. Oktober 2022 stand sogar eine Weltpremiere auf dem Spielplan. Unter dem etwas sperrigen Titel „’n bisschen Frieden – RocknRoll Summer“ wurde das neue Musical von Ralph Siegel uraufgeführt. Theaterdirektor und Executive Producer Wolfgang DeMarco erwähnte in seiner kurzen Rede zu Beginn ausdrücklich, in welcher Rekordzeit das Musical auf die Bühne gebracht wurde. Leider stellte sich im Verlauf des Abends heraus, dass man an der ein oder anderen Stelle noch etwas nachbessern sollte. Vielleicht war die Vorbereitungszeit doch etwas zu ambitioniert? Doch beginnen wir mit dem Positiven. Die zahlreich anwesenden geladenen Gäste erlebten einen Theaterabend mit viel Musik, dem die Handschrift des Komponisten stets anzuhören ist. Große Melodien, ja das kann Ralph Siegel wahrlich gut. Insgesamt fanden über 30 Songs den Weg in das neue Musical, einige davon sogar mehrfach in verschiedenen Versionen. Vieles geht direkt ins Ohr und vor allem „Miracle of Love“ wird einem auch nach dem Besuch noch lange im Kopf schwirren. Teilweise setzt „Mr. Grand Prix“ auf altbekannte Lieder, teilweise wurden die Songs extra für das Musical komponiert. Verwendet wurden für dieses Musical zudem viele alte, eher unbekanntere Werke des Komponisten. Natürlich darf „Ein bisschen Frieden“ dann auch nicht fehlen, dieses wurde sogar sehr mehrfach recht amüsant in die Story eingebaut. Ansonsten hat die Geschichte nichts mit dem großen Erfolg von Nicole zu tun, weswegen man sich wohl auch entschied den „Rock ́n ́Roll Summer“ im Titel zu ergänzen. Da der Wunsch nach Frieden in den letzten Jahren selten so aktuell war wie heute, ist der längere Titel aber eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung, Und auch aus werbewirksamen Gesichtspunkten ist die Titelgebung durchaus verständlich.

©Eugen Shkolnikov

Schwachpunkt des Abends ist leider die Story bzw. deren Umsetzung auf der Bühne. Versprochen wird in der Werbung eine „spannende Krimalstory“ rund um eine deutsch-deutsche Liebesbeziehung. Elisabeth, eine Studentin aus West-Berlin, lernte bei einem Verwandtschaftsbesuch in der DDR den Sänger Richard Steiner kennen. Beide verbrachten dort 1967 gemeinsam einen „Summer of Love“. Elisabeth und Richard verbinden vor allem die gemeinsamen Ideale und die Hoffnung auf eine bessere Welt. Doch auch die Stasi hatte damals ein Auge auf Richard Steiner geworfen, der mit seinen Protestsongs und seinem Willen die Gesellschaft zu verändern nicht nur das Kulturbüro gegen sich aufbrachte. Eine gemeinsame Zukunft blieb dem Liebespaar verwehrt. Viele Jahre später, angekommen in der heutigen Zeit, entdeckt die inzwischen verwitwete Elisabeth in einem Reisebericht über Südengland ein Foto, auf dem sie in dem abgebildeten Straßenmusiker Rick Stone ihren Ricky wiedererkennt. Zusammen mit ihrer Enkelin Nina macht sie sich auf den Weg nach Brighton, um nach all den Jahren die Wahrheit über das damalige Verschwinden von Ricky zu erfahren. Aber wie es der Zufall will, auch der ehemalige Stasi-Mitarbeiter Walter Krause hat eben jenen Bericht gelesen
und auch er hat scheinbar noch nicht endgültig mit der Vergangenheit abgeschlossen. So kommt der alte Konflikt von damals zu einer letzten Auseinandersetzung, bei der das ein oder andere Geheimnis gelüftet wird. Soweit ist dies durchaus eine interessante Geschichte (Buch: Ronald Kruschak), leider werden die Emotionen im Theatersaal aber viel zu wenig auf den Zuschauer transportiert. Vielleicht liegt dies auch an der unglaublichen Länge des Werkes?
Insgesamt erwartet den Zuschauer ein rund 3 1⁄2 stündiger Musicalbesuch, der erste Akt bis zur Pause ist mit über 90 Minuten eindeutig zu lang geraten. Leider gelingt es Benjamin Sahler mit seiner Regie nicht, wirklich berührende Schicksale so zu gestalten, dass der Zuschauer hier mitfiebert. Statt dessen lässt einen das Schicksal der Akteure eher kalt.

©Eugen Shkolnikov

Dies ist aber keineswegs die Schuld der Darsteller, denn das Ensemble spielt mit viel Engagement und Spielfreude. Insbesondere die Darsteller der jungen Figuren wissen zu gefallen. Tim Wilhelm, seit 2012 Sänger der Band „Münchner Freiheit“ und bereits bei Ralph Siegels „Zeppelin“-Musical in Füssen im Einsatz, verleiht dem jungen Richard Steiner eine große Bühnenpräsenz. Als junge Elisabeth kann Madeleine Haipt mit klarer Stimmer überzeugen. Auch Jennifer Siemann weiß als Enkelin Nina Bauer vor allem gesanglich zu gefallen. Schauspielerisch stark ist Benjamin Heil als junger Walter Krause, ein Newcomer mit großer Zukunft. Nach der Pause übernimmt der Duisburger Schauspieler Tom Barcal die Rolle des alten Krause. Ursprünglich war Heinz Hoenig für die Rolle vorgesehen, erneute Vaterfreuden verhinderten bei ihm aber den Einsatz zur Premiere, so dass Tom Barcal die Rolle kurzfristig einstudierten musste. Den größten Szenenapplaus des Abends erhielt Henriette Schreiner, nachdem sie sehr unterhaltsam mit herrlichem sächsischen Akzent im Auftrag von Walter Krause ihre Verführungskünste an Richard Steiner anwenden sollte. Am Ende gab es die bei solchen Anlässen üblichen Standing-Ovations für alle Darsteller.

Alles in allem ist „’n bisschen Frieden – Rock ́n ́Roll Summer“ sicherlich keine komplette Enttäuschung, dennoch ist es auch nicht der ganz große Wurf in Sachen Musicalunterhaltung. Freunde der Musik von Ralph Siegel werden sicherlich auf ihre Kosten kommen und allgemein weiß die musikalische Seite des Abends durchaus zu gefallen. Die Erwartungen an die Geschichte und an große Emotionen sollte man allerdings nicht zu hoch ansetzen. Zu sehen ist „’n bisschen Frieden – RocknRoll Summer“ noch bis Ende Dezember im Duisburger Theater am Marientor.

Markus Lamers, 21.10.2022


Ralph Siegel – N´ bisschen Frieden – Rock´n´Roll Summer / Weltpremiere am 20.10.2022 Marientheater Duisburg

Regie: Benjamin Sahler

Executive Producer: Wolfgang DeMarco

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