Wien: „Maria Stuarda“

Premiere: 19. Jänner 2018,, besucht wurde die zweite Vorstellung am 21. Jänner 2018

Was konnte Gaetano Donizetti am besten? Natürlich für große Sängerinnen mit außerordentlichen Stimmen schreiben – zumal in seinen hochdramatischen „Königinnen“-Opern. Er verlangte große, schöne, geschmeidige Soprane und Mezzos, die jeglicher dramatischen Attacke ebenso fähig sein müssen wie jeglicher virtuoser Verzierung… Nun, das „spielt“ man im Theater an der Wien nicht, auch wenn „Maria Stuarda“ am Programmzettel steht. Das große Duell der grandiosen Stimmen ist es nicht geworden – und war wohl auch nicht beabsichtigt.

Denn man weiß ja, was Sängerinnen wie Marlis Petersen und Alexandra Deshorties zu bieten haben. Aber – man weiß auch, was sie können. Und das war vermutlich das Konzept des Abends. Persönlichkeiten mit Karacho gegen einander zu hetzen, dass es Gänsehaut erzeugt. Gelegentlich auch, in dem Haß-Duell der Königinnen Maria Stuart von Schottland und Elizabeth von England (bei Donizetti natürlich „Stuarda“ und „Elisabetta“) am Ende des 1. Aktes, mit Hörsturz, wenn es schon nur noch wüstes Gekreische scheint, wie die Damen da loslegen. Aber wie! Keiner sage, dass das nicht eindrucksvoll ist.

Was sich Christof Loy als Inszenierung ausgedacht hat, bleibt löchrig, löst sich nicht sinnvoll auf. Nicht das Bühnenbild von Katrin Lea Tag, eine riesige Drehbühnenscheibe vor einem Rundhorizont (der sorgt allerdings dafür, dass akustisch nichts verloren geht). Ein leerer Raum, wobei sich die Scheibe schräg stellt, hebt und senkt, ohne dass man irgendeine Art von dramaturgischem Sinn dabei ausmachen könnte. Es ist bloß das Einzige, was an diesem „leeren“ Abend szenisch passiert, der sich im übrigen auf die Königinnen und den Chor konzentriert – diese Herrschaften (es ist übrigens wie immer – und immer vorzüglich – der Arnold Schönberg-Chor) sind angehalten, die Damen (auch nicht immer einsichtig) zu umwieseln. Maria Stuart wird einige Male sogar so bedrängt, dass man sich fragt, ob sie in Stücke gerissen werden soll…

Da der Abend im leeren Raum spielt und keine Welt kreiert, kann das Drama der Machtpolitik, das in der Geschichte steckt, nicht gespielt werden. Es bleibt die Frage der Kostüme (auch von der Ausstatterin) – und auch da bleibt Loy gewissermaßen eine Erklärung schuldig. Im ersten Teil könnte man noch meinen, hier werde andeutungsweise in der Optik jene Elizabethanische Welt beschworen, in der das Stück handelt. Wenn es auch sehr affektiert (aber wirkungsvoll!) ist, eine Elizabeth mit offenen, karottenroten Haaren im rosa (!) Kleid gegen die himmelblaue Maria Stuart mit hexenartiger Schwarzhaarfrisur los zu lassen. Aber immerhin – man weiß, wo man ist.

Im zweiten Teil weiß man es nicht mehr. Elizabeth, die jetzt blond ist, trägt schwarzen Business-Look, die Stuart zuerst, ganz in Schwarz, Hose und Pullover. Wenn allerdings ihre schier endlose Sterbeszene im leeren Raum in Stöckelschuhen und im schwarzen Etuikleid absolviert wird – dann wird das Geschehen gänzlich unspezifisch, man fragt sich, wo das Stück, das zu Beginn zumindest kostümlich angedeutet war, geblieben ist… Immerhin eine Schlußpointe: Wenn sich Maria Stuart mit verbundenen Augen auf den Boden legt, um auf ihre Enthauptung zu warten, ist es Elizabeth, die dem Scharfrichter das Beil aus der Hand nimmt. Schaurig.

Schaurig und doch szenisch wenig, wenig, Minimalismus (Loy schätzt ihn, wie man weiß) ist kein Äquivalent für Einfallsreichtum, es ist bloßer Stil, der ins Leere zielt. Der vielleicht von einem sprühenden, den Raum sprengeden Sängerfest kompensiert werden könnte (es gab Sängerinnen, die waren für Donizetti geboren wie die Gruberova in ihrer besten Zeit) – aber hier nur davon leben kann, dass die beiden Damen ja doch große Persönlichkeiten sind. Obwohl beider Stimmen an Schönheit und auch an technischer Makellosigkeit nicht den allerhöchsten Standards entsprechen. Aber Alexandra Deshorties als Elizabeth und Marlis Petersen als Maria vibrieren gleicherweise in ihren Charakteren und Schicksalen, und ja, das ist auch etwas.

Einen wirklich tollen Tenor hätten sie nicht verdient und bekommen ihn auch nicht: Norman Reinhardt ist in Ordnung mit Stahlkern in der Stimme, wie ein schmelzender Liebhaber singt er nicht… (Es ist ja eigentlich interessant, wie er zwischen den Frauen zerrissen wird – aber das spielt sich kaum ab.)

Stefan Cerny beeindruckt immer mit dem prachtvollen Baß, den dieser schmale Mann da in der Kehle hat, Tobias Greenhalgh und Natalia Kawalek ergänzen, zur Geltung kommen sie kaum.

Immerhin wirft das ORF Radio-Symphonieorchester unter Paolo Arrivabeni Donizetti-„Sound“ mit Verve in den Raum, das hilft. Alles in allem ist es ein schräger, in seinen Intentionen und Ergebnissen gewissermaßen wackeliger Abend – aber einer, den gesehen zu haben, man nicht bedauern muss.

Renate Wagner 22.1.2018

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