Premiere: 20. September 2014
Besuchte Vorstellung: 3. Oktober 2014
Nach dem Ende seiner Operndirektion in Leipzig (2012) hatte Peter Konwitschny seine Regietätigkeit etwas reduziert, in dieser Saison ist er nun wieder voll da. Gleich drei Neuinszenierungen bringt er in dieser Spielzeit heraus. Aber auch um die Übernahmen seiner Inszenierungen an andere Häuser kümmert er sich. So auch bei der „Jenufa“, die bereits im März Premiere in Graz hatte und nun in Augsburg gezeigt wird.
In früheren Jahren hat Konwitschny Stücke auch schon mal radikal umgedeutet und sie ganz neu erzählt, nun ist er versöhnlicher geworden. Seine starke „Jenufa“-Inszenierung erzählt die Geschichte so, wie man das Stück kennt, besticht aber durch die Sorgfalt und Genauigkeit der Personenführung. Mit den Solisten und dem Chor hat Konwitschny an jeder Geste, jedem Blick gearbeitet. Das ist so spannend, dass man sogar schon mal den Blick auf die Übertitel vergisst.
Zusätzlich zu der starken Regie gibt es einige Besonderheiten, wie sie für Konwitschny typisch sind:
Die Reduktion: Ähnlich wie in „La Traviata“ (2011, Graz/ London/ Nürnberg/ Wien) hat Johannes Leiacker ein total reduziertes Bühnenbild entworfen. Waren es damals nur Vorhänge und Stühle, befinden sich nun lediglich ein Bett, ein Tisch und ein paar Stühle auf der leicht ansteigenden Bühne. Die Gestaltung des Bühnenbodens spiegelt den Lauf der Jahreszeiten: Im ersten Akt ist er mit Gras bedeckt, im zweiten mit Schnee und im dritten Akt mit Krokusblüten. Das ist sehr atmosphärisch.
Musiker auf der Bühne: Konwitschny lässt seine Darsteller gerne mit Musikern interagieren. So war es im „Freischütz“ (1983, Altenburg/Hamburg) oder im Titus (2005, Hamburg/Tokio/Oslo), so ist es auch in der „Jenufa“. Wenn die Titeldarstellerin im zweiten Akt von Ängsten gepeinigt wird und die Konzertmeisterin im schwarzen Kleid auf der Bühne erscheint und mit einem großen Solo Trost spendet, ist das ein sehr schöner Moment.
Heraustreten aus der Handlung: In seinem Münchener „Tristan und Isolde“ (1998) erfindet Konwitschny ein Happy-End für die Titelfiguren, in dem er die Isolde ihren Schlussgesang in Tristans Armen singen lässt. In der „Jenufa“ hinterfragt er nun das Happy End mit dem gleichen Mittel. Nachdem die Küsterin verhaftet wird, fällt der Vorhang langsam und erst nach einer langen Fermate setzt die Schlussszene von Jenufa und Laca an, die hier vor dem Vorhang gespielt wird: In der Realität des Stückes endet das Stück offen, das glückliche Ende ist nur eine Utopie.
Gesungen wird in Augsburg auf weitgehend hohen Niveau: Kerstin Descher ist zwar als indisponiert angekündigt, singt aber eine dramatisch-intensive Küsterin. Sally du Randt ist eine anrührende Jenufa, die auch die nötige Dramatik für diese Partie in der Stimme hat. Mathias Schulz als Laca klingt in der Höhe zu eng und kann nicht immer überzeugen, während Ji-Woon Kim ein kerniger Stewa ist. Überzeugende Rollenporträts gestalten Elisabeth Hornung als alte Burya und Dong-Hwan Lee als Altgesell. Großartig ist Christoph Stephinger, der als Gast von der Bayerischen Staatsoper den Dorfrichter singt.
Die Augsburger Philharmoniker lassen unter der Leitung von Lancelot Fuhry viele Momente überraschend leicht und durchsichtig klingen. Wo notwendig lässt Fuhry auch kantig, dramatisch und düster aufspielen. Die Sänger führt er gut und auch die Balance zwischen Graben und Bühne gelingt vorzüglich.
Das Augsburger Theater ist bei der fünften Aufführung dieser Produktion zwar nur mittelmäßig besucht, das Publikum ist aber aus dem Häuschen und spendet geradezu frenetischen Beifall.
Rudolf Hermes 9.10.14 Bilder siehe unten