Augsburg: „Violanta“ / „Der Ring des Polykrates“

Premiere: 31. Mai 2013

Wenn Opernhäuser Korngold spielen, dann fast immer „Die tote Stadt“. Dass das Augsburger Theater jetzt zwei Korngold-Einakter miteinander koppelt, ist an sich schon eine Besonderheit. Die Aufführung selbst ist ein starkes Plädoyer für Korngolds heiteren „Der Ring des Polykrates“, besonders aber für die dramatisch-schwerblütige „Violanta“.

Beide Opern, die in direkter Folge in den Jahren 1913 bis 1915 entstanden und 1916 in München unter Bruno Walter uraufgeführt wurden, sind Ehegeschichten: Im „Ring des Polykrates“ wird die glückliche Beziehung zwischen dem Hofkapellmeister Wilhelm Arndt und seine Frau Laura durch den Besuch des alten Freundes Peter Vogel auf die Probe gestellt. In „Violanta“ will die titelgebende venezianische Kaufmannsgattin den Selbstmord ihrer Schwester rächen und bittet deren Verführer zu einem tödlichen Rendezvous.

Der kompositorische Sprung, den der junge Erich Wolfgang Korngold zwischen beiden Stücken macht, ist gigantisch: „Polykrates“ klingt wie ein Lortzing mit den Mitteln der Spätromantik, „Violanta“ ist dagegen ein hochromantisches Werk im Stile der „Elektra“, das in der Harmonik und Instrumentationskunst wie ein Schwesterwerk der „Toten Stadt“ wirkt.

Schon im „Polykrates“ spielen die Augsburger Philharmoniker unter der Leitung des zukünftigen 1. koordinierten Kapellmeisters Roland Techet farbenreich auf. Immer wieder sind die Bläser mit solistischen Partien gefordert und können in geistreicher Korrespondenz zur Bühne treten. Die „Violanta“ gerät den Augsburger Philharmonikern dann geradezu sensationell. Techet lässt die Philharmoniker in der Musik schwelgen, kostet ihre harmonische Sinnlichkeit und Leidenschaft grandios aus.

Dem Augsburger Schauspielchef Markus Trabusch gelingt eine gediegene Inszenierung, in der die Sänger-Darsteller glaubhafte Charaktere verkörpern. Bühnenbildner Volker Hintermeier hat zwei goldene Käfige konstruiert: Im „Polykrates“ ist es das goldene Gebälk eines Hauses, in dem der gutbürgerliche Ehestreit für Turbulenzen sorgt. Die Video-Einspielungen mit Bildern des 1. Weltkriegs erinnern an die weltpolitische Situation der Entstehungszeit, bieten aber für die kleine harmlose Komödie keine tieferen Einsichten.

Wesentlich besser hätte man diesen Aspekt mit der blutigen „Violanta“ verknüpfen können, dort werden die Anspielungen auf den Weltkrieg aber komplett ausgespart. Die Bühne zeigt nun eine achteckige Goldkonstruktion, die einen Brunnen und eine große goldene Kugel umgibt, was an das Märchen vom „Froschkönig“ erinnert. Will Trabusch so darauf hinweisen, dass sich Violantas Bild des Prinzen Alfonso verändert, dass er sich vom Frosch, den sie ermorden will, in den Prinzen, den sie liebt, verwandelt? Hier hätte die Regie die Symbolik des Bühnenbildes aufgreifen müssen.

Die weibliche Hauptrollen in beiden Werken werden von der Haus-Primadonna Sally du Randt gesungen. Im „Polykrates“ gefällt sie als Laura mit eleganter Erscheinung und flotten Parlando, als Violanta wird von der lyrischen Sopranistin aber hochdramatischer Einsatz gefordert. Für die wilde Rächerin fehlt ihrer Stimme die dunkel grundierte Mittellage, im Liebesduett mit Alfonso kann sie aber puren Wohlklang verströmen. In diesen Momenten ist Sally du Randt ganz bei sich.

Als Hofkapellmeister Arndt gefällt Niclas Oettermann im „Polykrates“ mit kräftigem und durchsetzungsfähigem Tenor, in Violanta hat er noch einen kleinen aber treffenden Auftritt als Maler Giovanna Bracca. Sehr großen Eindruck macht Ji-Woon Kim als Violantas todessehnsüchtiger Liebhaber Alfonso, der mit warmem und gut fundiertem Tenor die dunkle Leidenschaft dieser Figur auf die Bühne bringt.

Von ihrer besten Seite kann sich Sophia Christine Brommer als komödiantisch-pfiffiges Hausmädchen Lieschen präsentieren. Sie bietet darstellerisch und sängerisch eine pointierte Darstellung, während Christopher Busietta als ihr Freund Florian oft Probleme mit den Korngoldschen Orchestermassen hat. Zuverlässig gestaltet Bariton Giulio Alvise Caselli seine Auftritte in beiden Opern, einmal als Peter Vogel, dann als Matteo.

Auch wenn man bei den Sängern und der szenischen Umsetzung kleine Abstriche machen muss, ist diese Korngold-Doppelabend dank der Leistung der Augsburger Philharmoniker unter Roland Techet eine fulminante Ausgrabung.

Rudolf Hermes (c) Theater Augsburg