Premiere 20.9.2019
Umberto Eco hat zum Film „DER NAME DER ROSE“ bemerkt, dass Jean-Jacques Annaud ein neues Werk geschaffen habe, welches sich vom Buch unterscheide, dem gedruckten Text aber ebenbürtig sei.
Ähnlich kann, muss die Dramatisierung der literarischen Vorlage „DAS GROSSE HEFT“, der Debut-Roman von Àgota Kristòf , beurteilt werden. Ob diese Produktion des Basler Theaters dem Buch ebenbürtig ist, ob die Intentionen der Autorin glaubhaft dargestellt sind, muss von jeder Zuschauerin, von jedem Zuschauer selbst beurteilt werden.
Der sehr dichte Text, komplex in der Aussage und dramatisch in der Wirkung, ist nicht einfach nachzuvollziehen. Der Regisseur Tilman Köhler hat auf eine bühnentechnisch aufwendige Inszenierung verzichtet. Seine Schwerpunkte sind Personenführung und Textverständlichkeit. Er legt grossen Wert auf die sprachlich-mimische Interpretation der Rollen durch seine SchauspielerInnen auf der Bühne.
Die Spielfläche in Basel, entworfen von Karoly Risz, beschränkt sich auf eine schräge Ebene. Dieser relativ steile Bühnenaufbau verlangt von den Schauspielerinnen und Schauspielern eine physische Arbeit, welche bewundernswert ist.
Auf dieser Fläche stellen die DarstellerInnen alle Rollen des Schauspiels dar und dies ohne Kostümwechsel, nur mit wenigen Requisiten.
Die unterschiedlichen Personen werden praktisch nur mit Sprache und Gestik, mit Mimik und Körpersprache dargestellt. Eigentlich kommt das ganze Schauspiel wie ein bebildertes Hörbuch daher, eine Darstellungsart, welche in Basel schon in Köhlers Inszenierung „DIE SCHWARZE SPINNE“ von Jeremias Gotthelf zu sehen war.
Bei einem wortgewaltigen Werk, wie von Kristòf geschrieben, ist dies gar nicht so abwegig, wird doch man nicht durch aufwendige bühnentechnische Effekte vom Inhalt abgelenkt.
Auch überzeugt die musikalische Komponente, komponiert von Jörg-Martin Wagner, auf zwei Klavieren vorgetragen von Marianna Angel und Amador Buda Fuentes Manzor.
Die sechs Schauspielerinnen und Schauspieler: Inga Eickemeier, Urs Peter Halter, Anica Happich, Martin Hug, Vincent zur Linden und Friederike Wagner.
Ihre Diktion, die klare Trennung der einzelnen Rollen durch Sprache, Gestik, Mimik und Körpersprache kann nur als hervorragend bezeichnet werden. So trägt die gute Personenführung Köhlers, gepaart mit Spitzenkräften im künstlerischen Team zum Verständnis dieses Bühnenwerkes bei.
Die Kostüme, entworfen von Susanne Uhl, ebenso wie die Lichtführung von Andreas Rehfeld unterstreichen die Stringenz der Inszenierung.
Eine spezielle Erwähnung bedarf die Arbeit der Dramaturgin Sabine Egli. Ihre Einblicke in das komplexe Werk von Àgota Kristòf und ihre dramaturgische Interpretation verhelfen den komplexen Zusammenhängen zu besserem Verständnis.
Das zahlreich erschienene Publikum verdankte die reife Leistung des gesamten Teams mit dem verdienten, langanhaltenden Applaus.
Peter Heuberger, Basel