Basel: „Der Gehülfe“, Robert Walser

Der Gehüfe ist eines der Schlüsselwerke von Robert Walser. Das Theater Basel hat es unternommen, den zum Teil autobiografischen Roman auf die Bühne zu bringen. Einen "einfachen Roman, der ja eigentlich gar kein Roman ist, sondern nur ein Auszug aus dem schweizerischen täglichen Leben", nannte Robert Walser sein zweites grosses Prosawerk, in dem er eigene Erfahrungen als Gehilfe niederschrieb.

Die Geschichte von Joseph Marti, (Robert Walser) spielt sich ab zwischen Stellenlosigkeit und erneuter Stellenlosigkeit. Dazwischen vollzieht sich der Untergang des kleinen Unternehmens Ingenieur Tobler. Die Dramatisierung eines so bekannten Romans ist immer eine heikle Angelegenheit. Die Inszenierung in Basel in der Dramaturgie von Carmen Bach und der Spielleitung von Anita Vulesica darf als sehr gelungen gelten.

Mario Fuchs spielt hervorragend Joseph Marti, den neuen Angestellten, Gehülfen, im Hause Tobler. Er zeichnet sich vor allem durch ihre große Sprunghaftigkeit aus. Nie findet Joseph ein konstantes Verhältnis zu sich selber und schon gar nicht zu den Bewohnern im Hause Toblers. Einerseits macht sich Marti Vorwürfe, weil er das strauchelnde Unternehmen des Erfinders beim besten Willen nicht retten kann, akzeptiert andererseits den Niedergang mit beispielloser Gleichgültigkeit. Das Ende des Spiels auf der Bühne ist typisch für Walser: Joseph Marti verlässt das Anwesen von Tobler und wendet sich einer berufslosen, ungewissen Zukunft zu.

Martin Hug ist Herr Tobler. Seine Sichtweise auf das Leben ist sehr bürgerlich und spiegelt klar den Emporkömmling in der Gesellschaft wieder. Er gibt sich gegenüber seinen Angestellten jovial, misshandelt dafür seine Tochter. Seine "Erfindungen" sind lächerlich und der Ruin des Unternehmers Tobler ist nicht abzuwenden. Dies weiss Tobler sehr wohl. Er ertränkt dieses sein Wissen im CHABLIS, Unmengen von Chablis!

Frau Tobler, den Part gibt Friederike Wagner, spielt mit grossem Können die oberflächliche, egozentrische Frau, noch "nouveau riche" ohne grössere Sorgen als Kleider und Genuss. Sie liebt ihre Tochter nicht, "Liebe kann nicht befohlen werden", sie wolle es versuchen, zweifle aber am Erfolg. Wir werden wohl umziehen, in die Stadt, in eine gute Wohnlage, aber günstigere Wohnung, dies ihr Fazit zur absehbaren Pleite ihres Mannes.

Der Vorgänger Martis, der Gehülfe Wirsich, eigentlich hätte er die Firma schon lange verlassen müssen, wird gespielt von Pascal Goffin. Er ist eine eigentlich tragische Figur und diese Tragik wird durch Goffins Interpretation enorm verstärkt. Wirsich ist ein Hans-Dampf in allen Gassen, weiss Bescheid im Finanzwesen und in der Werbung. All dies half nicht, den vorhersehbaren Ruin der Firma abzuwenden. Nach einem Streit mit seinem Chef wird er entlassen, will aber nicht gehen, schuldet ihm doch Tobler noch Geld, welches nicht vorhanden ist.

Katharina Marianne Schmidt, Mitglied des Schauspielstudios Basel, spielt mit viel Elan, die Tochter Silvi. Ihre Wutausbrüche, ihre Angst vor dem Vater, ihre Abneigung gegen ihre Mutter werden von der jungen Schauspielerin glaubhaft gespielt. Vielleicht ist die eine oder andere Szene ein bisschen zu plakativ, zu wenig subtil. Dies ist der Personenführung der Regisseurin zuzuschreiben, eine Spielanleitung welche aber im Grossen und Ganzen überzeugt.

Friederike Bernhardt in der Rolle der Dora wirkt unscheinbar und unnahbar, dem Rollenansatz entsprechend. Frau Bernhardt hat auch die Musik geschrieben und spielt diese live auf der Bühne. Der Einsatz ihrer Musik in Walsers Werk verstärkt den starken Eindruck dieser Dramatisierung und ist in der Regie von Anita Vulesica unverzichtbar. Am stärksten wirken die Schauspielerinnen und Schauspieler, wenn einfach Walsers Text ohne viel Aktion zum Einsatz kommt. Beim Klamauk, so wichtig er für die Charakterisierung des Hauses Toblers ist, wäre ein bisschen Weniger vielleicht Mehr gewesen.

Die Bühne wurde von Henrike Engel gezeichnet. Die Kostümentwürfe stammen von Janina Brinkmann. Für die Choreografie verantwortlich Mirjam Klebel und das Licht kreierte Cornelius Hunziker. Ganz stark ist der Abgang aus dem Hause Tobler von Joseph Marti (Mario Fuchs) in die Arbeitslosigkeit!

Der würdige Abschluss einer gelungenen Inszenierung! Dem ganzen Team auf und hinter der Bühne ein grosses: Bravi!

Das recht junge Publikum belohnte die reife Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne mit lautstarkem Applaus. Dieser Applaus galt auch dem gesamten Team, welches für diese mutige Produktion verantwortlich ist.

Peter Heuberger

Fotos © Birgit Hupfeld