Basel: „Der standhafte Prinz“, Pedro Calderon de la Barca

Besuchte Premiere am 19.10.2019

Eine echte Ausgrabung, ein Meilenstein im modernen Theater!

Ein unglaublich dichter Text, eine komplex inszenierte Handlung auf verschiedenen Zeitebenen, interpretiert von sieben Schauspielern und Schauspielerinnen. Das Resultat: Pedro Calderons „DER STANDHAFTE PRINZ“ auf der Bühne des Schauspielhauses in Basel. Calderon ist hierzulande vor allem bekannt für sein Werk „DAS GROSSE WELTTHEATER“ und „DAS LEBEN EIN TRAUM“.

Der Originaltext Calderons wurde ins Polnische übersetzt (Julius Slowacki). Das polnische Team unter dem Spielleiter Michael Borczuch, welches für die Inszenierung verantwortlich ist, spielt das Werk in der Textfassung des Dramaturgen Tomasz Spiewak. (Deutsche Übersetzung für das Theater Basel: Susanne Lange)

Die moderne Fassung erleichtert das Verständnis der recht verschachtelten Handlung ohne Vorbereitung keineswegs. Die alten, seit langem nicht mehr gebräuchlichen, drei aristotelischen Einheiten von Zeit, Handlung und Ort wurden, obgleich bei Calderon vorhanden, in der Basler Inszenierung durchbrochen, dramaturgisch schlüssig durchbrochen.

Dazu der Regisseur: Üblicherweise arbeiten wir mit moderneren Stoffen oder schreiben neue, eigene Texte für unsere Theaterprojekte. Aber diesmal suchte ich bewusst einen älteren Theatertext, der sich sprachlich von zeitgenössischen Stücken als auch ganz grundsätzlich von der Idee eines zeitgenössischen Theaters unterscheidet.

Der Konflikt zwischen den Religionen Christentum und Islam, beide monotheistisch, beide missionierend, ist auch heute aktueller de je und ein politisch brisantes Thema. Viele Kriege basieren auf den Machtansprüchen der beiden Religionen. Diese bewaffneten Konflikte erzeugen in zunehmendem Masse die Flüchtlingsströme.

Sehr eindrücklich ist die Doppelbesetzung der beiden Rollen Muley und Phönix: Sie demonstriert in herausragender Weise die Schwierigkeit der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Kulturen:
Holger Bülow als Muley deutscher Zunge und Jan Dravel als sein polnisches Pendant,
Dominika Biernat in fremder Sprache und Leonie Merlin Young als deutsch sprechende Phönix.

Die Grundidee des Produktionsteams (Michael Borczuch, Dorota Nawrot, Bartosz Dziadosz, Wojciech Sobolewski und Jacqueline Sobiszewski und Thoams Spiewak) ist klar ersichtlich: Was wäre wenn, Europäer flüchten, nach Afrika emigrieren müssten?

Dies wird in einem Video dargestellt. Dieses Video, ungefähr 16 Minuten lang ist bildet den Einstieg in das Geschehen. Hier stellt sich für mich die Frage: Wieso ein Video? Die Befragung der Flüchtlinge kann genauso gut, dem Sprechtheater, entsprechend live auf der Bühne gespielt werden. Der Zuschauer, die Zuschauerin sitzt ja in einem Theatersaal und nicht im Kino.

Die zusätzliche Frage dazu, gestellt von Regisseur Borczuch: Für was bist du, sind wir bereit, unser Leben zu geben?

Außer für sehr nahestehende Menschen sein Leben zu geben, wurde in Improvisationen zu dieser Frage mit Schauspielern kein Konzept, keine Idee gefunden, für die man sein Leben geben würde. Dies wird im Laufe der Aufführung im Video gezeigt. In diesem Fall dramaturgisch richtig und im Kontext schlüssig.

Der Regisseur sucht, nach seinen eigenen Worten, auf der Bühne keine Bilder, welche die Handlung illustrieren oder dem Publikum helfen, der Handlung zu folgen. Er versucht, dies durch die Interaktionen zwischen seinen Protagonisten darzustellen. Dieser Inszenierungsart zu folgen, sie zu verstehen, sich im Handlungsstrang der zu erzählenden Geschichte zurecht zu finden, ist nicht einfach.

Es bedingt ein aufgeschlossenes, interessiertes Publikum und dies in einer genussorientierten, sich selbst inszenierenden Gesellschaft. Dies aber, das Aufrütteln der Gesellschaft, das Aufbrechen sozialer Strukturen zu mehr Humanität, ist eine Aufgabe des modernen Theaters, sei es auf der Sprechbühne oder im Musiktheater. Und dies wird in Basel mit dem standhaften Prinz in beispielhafter Weise versucht.

Als Don Fernando steht Jonas Anders auf der Bühne, Simon Kirsch spielt den Part des Don Enrique und den Maurenkönig gibt Maik Solbach.

Das Premierenpublikum, sehr heterogen gemischt, belohnte die Künstler auf und hinter der Bühne mit dem verdienten Applaus.

Peter Heuberger, Basel

Fotos © Priska Kettere