Basel: „Der Mensch erscheint im Holozän“

Kooperation mit dem Deutschen Theater Berlin

Mit leisen Tönen, subtil und emotional, erzählt Thom Luz, Hausregisseur am Theater Basel, die Geschichte von Herr Geiser. Die Novelle Der Mensch erscheint im Holozän schrieb Max Frisch im Jahr 1979. Luz visualisiert das Werk hervorragend und erzählt die Geschichte, wie schon in seiner Arbeit Inferno nach Dante Alighieri, allgemein verständlich. Seine Regie imponiert durch klare Personenführung ohne von den ProtagonistInnen auf der Bühne unnötigen Hochdruck zu verlangen.

Dazu integriert Thom Luz, zusammen mit dem musikalischen Leiter Mathias Weibel, Musik gekonnt, ohne dass der Handlungsfluss gestört wird. Im Gegenteil, die gewählte Musik unterstützt, ja verstärkt optisch/akustisch, die Dramaturgie. Die Bühne wurde von Wolfgang Menardi und Thom Luz entworfen. Für die hervorragende Lichtführung zeichnen Matthias Vogel und Tobias Voegelin verantwortlich. Die Kostüme kreiert hat Sophie Leypold.

Max Frisch: Katastrophen kennt der allein der Mensch, sofern er sie überlebt; die Natur kennt keine Katastrophe. Herr Geisers Naturkatastrophe. Erst einmal ist das eine ganz einfache, gerade Geschichte. Denkbar gelassen und unaufwendig erzählt, fast nur skizziert mit knappsten Konturen, doch reich im Detail: Die Geschichte von den letzten Tagen, den letzten Handlungen, Überlegungen, Flucht- und Rückzugsbewegungen eines einsamen alten Mannes, der das nahende Ende ahnt und nicht ahnen will.

Der 74-jährige Witwer Geiser sitzt in einem Tessiner Bergdorf fest. Geiser vermutet, sieht Vorzeichen von Naturkatastrophen, Sintflut, Weltuntergang. Geiser sitzt nicht wirklich fest, er unternimmt einen waghalsigen Ausflug ins andere Tal und kommt zurück. Er bildet sich die Naturkatastrophe nur als Möglichkeit ein. Auskünfte im Dorf sind widersprüchlich, einige behaupten, es sei gar kein Hang gerutscht. Was stimmt? Wie so vieles, bleibt auch dies offen. Dazu muss man feststellen: Geiser bleibt, da er nicht im Dorf geboren, ein Aussenseiter, auch wenn er schon jahrelang hier lebt.
Herr Geiser wird hervorragend gespielt von Ulrich Matthes. Als die verstorbene Frau von Geiser erscheint Judith Hofmann. Franziska Machens verkörpert die abwesende Tochter Corinne. Der Schwiegersohn aus Basel, der immer alles besser weiss, wird von Leonhard Dering gegeben. Als deutscher Sonnenforscher steht Wolfgang Menardi auf der Bühne. Menardi, Hofmann und Dering führen als Kommentatoren durch das Werk und dienen so als roter Faden.

Ein spezieller Applaus gehört dem Musiker und Sänger Daniele Pintaudi, welcher als Armand Schulthess seine speziellen Kommentare abgibt, dazu singt er und spielt. im Duett mit dem Sonnenforscher und zweiten Klavierspieler, Wolfgang Menardi, Klavier
Ein Höhepunkt in der Regie ist meiner Meinung nach die Schlussszene: Herr Geiser verliert sein Gedächtnis und seine Erinnerungen immer mehr. Luz visualisiert dies mit dem Fallen von verschiedenen Tüllvorhängen, so dass Geiser immer unschärfer, weniger sichtbar wird. Zuletzt fäll der schwarze, dann der Hauptvorhang. Ende!
Der Applaus, der mehr als verdiente Applaus bleibt fast eine Minute aus, so ergriffen sind die zahlreich erschienen Premieren-BesucherInnen! Der stürmische Beifall, die Bravi Rufe, folgen und sind fast endlos! Der Besuch dieser Produktion des Theater Basel lohnt sich, wie immer!

Peter Heuberger 30.9.2018

Bilder (c) Sandra Then


Musiknachweise für diese Produktion:

Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 6 Pastorale für 2 Klaviere, arr. Singer
Bela Bartok: Thema und Umkehrung aus „Mikrokosmos IV Nr.144“
Tessiner Volkslieder: „O cielo cielo“ / „La bella vita va al fosso“ / „Girumetta“
Josquin des Préz: „Sanctus“ / „Pleni sunt Coeli“ aus „Missa Pange Lingua“
Jakob Arcadelt: Dormendo un giorno
Johan Sebastian Bach: „Kunst der Fuge“; 14a Canon in Hypodiates