Premiere: 14. 09.18
Das Triumvirat Hans Neuenfels, Regie, Erik Nielsen, musikalische Leitung, und Henry Arnold, Dramaturgie, hat mit der Produktion „Lucio Silla“ auf der großen Bühne des Theater Basel Operngeschichte geschrieben. Die Personenführung von Neuenfels zusammen mit der musikalisch zwingenden Interpretation von Mozarts Jugendwerk wird unterstützt durch die hervorragend geänderte/gekürzte Dramaturgie von Henry Arnold. Die Inszenierung ist etwas vom Besten, was ich in den letzten Jahren auf einer Opernbühne gesehen/gehört habe. Die Kürzungen und Streichungen verstärken die Aussage des Werkes hervorragend. Es ist anzumerken, dass die ursprüngliche Partitur eine Spieldauer von ungefähr 4 Stunden verlangt. Neuenfels, Nielsen und Arnold haben diese auf 2 ½ Stunden verkürzt – sehr zu Gunsten der Spannung und Dramatik.
Hans Neuenfels: «Die beiden größten Schwierigkeiten lagen sicher zum einen in der Länge des Stückes, und zum anderen in der Verteilung der Proportionen, also im Verhältnis der Rezitative zu den Arien. Das verlangt, die Arien in die Handlung zu integrieren, sodass sie nicht den Zusammenhang zum Inhalt des Werkes verlieren und wie eigenständige Nummern wirken, sondern eine Erweiterung und Fortsetzung bilden.»
Erik Niesen: «Die Urfassung ist eine Art Galaabend, an dem die Sänger, die Sängerinnen hauptsächlich miteinander wetteifern. Deswegen fand ich die Idee so spannend, dieser Oper durch die Bearbeitung ein völlig neues Gesicht zu geben. Ich muss allerdings zugeben: Zuerst war ich schockiert, aber dann sind wir durch verschiedene Schritte gegangen, und ich habe mich dabei noch einmal sehr mit „La clemenza di Tito“ beschäftigt: Wie hat es Mozart in späteren Jahren selber gemacht? Welche neuen Wege hat er gerade in der langen Form, der Da-capo Arie in der Sonatenform, selbst gesucht? Daran haben wir uns orientiert, damit das Stück eine gute Proportion erhält.» (© Theater Basel)
Und dies ist gelungen. Der Wunsch von Hans Neuenfels hat sich erfüllt: Wir, die Zuschauer, erhalten das Gefühl: Das ist aus einem Guss, aus einem Mozart-Guss!
Wolfgang Hildesheimer: «Auch auf dem Gebiet der Opera seria sind Mozarts Frühwerke für uns vornehmlich von musealem Interesse.» (© Basler Theater)
Hildesheimer hat die Basler Interpretation nicht gesehen/gehört. Er wäre sonst anderer Meinung, davon bin ich überzeugt.
Interessant, ansprechend, musikalische Highlights, waren die Übergänge von den Rezitativen zu den Arien. Am Hammerklavier wurden diese Rezitative subtil begleitet von Irina Krasnovska und Erik Nielsen. Das Sinfonieorchester Basel war an dieser ersten Saisonpremiere in Hochform und interpretierte das doch relativ unbekannte Werk unter der Stabführung von Erik Nielsen mit Präzision und viel Emotionen.
Hervorragend die gesangliche Darbietung. Alles sehr junge, sehr frische Talente. Eine phänomenale Entdeckung ist die Mezzosopranistin Kristina Stanek, sowohl stimmlich als auch schauspielerisch. Ihre hervorragende Diktion, ihre wunderbar präzise Intonation ohne überflüssige Vibrati ist gepaart mit einer zwingend zur Rolle (Cecilio) gehörenden Körpersprache. Man hat fast das Gefühl, dass Mozart die Rolle des Cecilio für sie geschrieben hat.
Als Giunia, die Verlobte, erlebte das zahlreich erschienene Premierenpublikum die temperamentvolle israelische Sopranistin Hila Fahima. Sie ist Ensemblemitglied an der Wiener Staatsoper. Auch sie überzeugte durch hervorragende Körperarbeit, mit wunderbarem Gesang und klarer Diktion. Giuninas Wut, ihr Hass gegen Silla, kann förmlich gespürt werden. Eine Spitzenleistung sowohl gesanglich als auch schauspielerisch. Etwas farbloser kam der finnische Tenor Jussi Myllys in der Titelrolle als Lucio Silla daher. Zwar gehören seine sängerischen Qualitäten in die oberen Spielklassen, seine Intonation ist ebenso makellos wie seine Sprachverständlichkeit. Seine schauspielerische Klasse erreicht die Leistung als Sänger hingegen in keiner Weise. Als römischen Patrizier Lucio Cinna durften wir Haley Clark, seit dieser Spielzeit Ensemblemitglied in Basel, erleben. Auch ihre Leistung auf der Bühne überzeugte in jeder Hinsicht. Dasselbe gilt für Sarah Brady, Mitglied des Opernstudios „OPERAVENIR“. Sie sang und spielte die Rolle von Sillas Schwester Celia. Auch ihre Darbietung kann nur als hervorragend bezeichnet werden. Als Aufidio, Tribun und Freund Sillas, war Matthew Swensen zu hören, ebenfalls Mitglied im Opernstudio. Seine Intonation und Diktion war ansprechend, aber vielleicht fehlt ihm noch ein bisschen Volumen.
Der Chor des Theater Basel unter seinem neuen Leiter Michael Clark war in Hochform und überzeugte durch seine gesangliche Leistung und, wie immer, auch durch darstellerischen Einsatz.
Die Bühne wurde von Herbert Murauer entworfen. Der gleichbleibende Hintergrund erinnerte ein bisschen an das Halbrund des Pantheons in Rom. Die einzelnen Szenen wurden angetönt durch sparsamen Einsatz von Requisiten. Dieses Bühnenbild unterstützt die Regiearbeit von Hans Neuenfels optimal. Die Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer sind recht unauffällig, unterstreichen jedoch die Zeichnung der dargestellten Charaktere. Dies ist für Bühnenkostüme ein es Kriterium. Für das Lichtdesign von Stefan Bolliger gilt dasselbe.
Das zahlreich erschienene Publikum entließ das gesamte Produktionsteam mit verdientem Applaus.