Bielefeld: „Orlando Paladino“

Joseph Haydn

Premiere: 27. April 2018

Besuchte Vorstellung: 27. Mai 2018

Joseph Haydns“ Orlando Paladino“ scheint in der aktuellen Saison eine Renaissance auf deutschen Bühnen zu erleben. In Hagen kam die Oper im Februar heraus, nun folgte Bielefeld und sogar die Bayerische Staatsoper präsentiert bei den Münchener Opernfestspielen eine Neuproduktion.

War die Hagener Produktion von Dominik Wilgenbus verspielt, komödiantisch und unterhaltsam, so konzentriert sich Felicitas Brucker in Bielefeld auf den Wahnsinn Rolands und versucht aus dem Stück ein Psychodrama zu machen. So ist die Zauberin Alcina nun die Oberärztin einer Psychiatrie und die Schäferin Eurilla und ihr Vater Licone, sonst eher die komischen Figuren des Stückes, werden zu Assistenten oder Pflegern der Anstalt. Auch das sonstige Personal des Stückes wird zu Patienten oder Gehilfen Alcinas.

Bühnenbildnerin Marlene Lockermann hast auf die Drehbühne eine Gerüstkonstruktion gestellt, in der sich verschiedene Räume aus Neonröhren befinden. Das ist höchst beeindruckend, wie da eine Hügellandschaft oder ein geschlossener Raum nur mit geschwungenen und gebogenen Lichtröhren entsteht. Problematisch ist, dass nie richtig klar wird, ob wir uns in den Fantasiewelten des Ritter Rolands befinden oder ob diese Räume sich in Alcinas Psychiatrie befinden.

Der Ansatz den Wahnsinn des Ritters als Angelpunkt des Regiekonzeptes zu machen, kollidiert mit der Vielzahl der weiteren Figuren und ihren Geschichten, denn die Oper hat zwar eine Titelfigur, doch die taucht erst relativ spät auf und eigentlich werden vom Librettisten und Komponisten alle Figuren gleichwertig behandelt. Das hat dann auch zur Folge, dass man sich fragt, was der Barbaren-könig Rodomonte, der sich sonst als großen Gegner Rolands sieht, hier aber nur ein wildgewordener Boxer ist, in diesem Stück zu suchen hat.

Ähnlich ist es mit dem Liebespaar Angelica und Medoro, dass sonst hauptsächlich mit dem Problem zu tun hat, dass Roland hinter Angelica her ist und Medoro als Rivalen sieht. Hier hat man eher den Eindruck, dass es nur um die Beziehungsprobleme des Paares geht. Insgesamt schafft das Regieteam zwar optisch starke Bilder, die verzwickte Handlung zerfällt aber in lauter Einzelszenen, denen es am roten Faden fehlt.

Das Bielefelder Theater besetzt diese Oper treffsicher aus den eigenen Reihen: Daniel Pataky ist ein vielschichtiger Roland, denn von charaktertenoralen Attacken, über lyrische empfindsame Szenen bis hin zu großen jugendlich-heldischen Aufschwüngen besitzt Pataky ein großes Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten. Eine dramatische Angelica ist Cornelie Isenbürger, während Lianghua Gong als Medoro mit seinem schönen und farbenreichen Tenor gefällt.

Ein komödiantisch-spielfreudiges Paar sind die quirlige Nienke Otten und Spieltenor Lorin Wey, der hier den Pasquale singt, der eigentlich der Knappe des Ritters ist. Mit scharfem und energischen Bariton gestaltet Caio Montero den Rodomonte. Mit selbstbewusstem und höhenstrahlendem Sopran singt Hasti Molavian die Zauberin Alcina. Ihre Kostümierung (Viva Schudt) ist aber ein Fehlgriff: Die grauen Haare sollen die sportiv-schlanke Sängerin wohl zur alten Ärztin machen, gleichzeitig gibt sie sich mit durchsichtigem Oberteil betont sexy.

Am Pult der Bielefelder Philharmoniker sucht Merjin van Driesten weniger ein historisch-informiertes Klangbild als ein wohlgerundetes klassisches Ideal, das sich an Mozart orientiert. Insgesamt ist in Bielefeld eine hörenswerte Aufführung in einem starken Bühnenbild zu erleben, die Handlung der Oper kommt jedoch zu kurz.

Rudolf Hermes 30.5.2018

Bilder (c) Theater Bielefeld