Bremen: „Salome“, Richard Strauss

Salome in der gleichnamigen Oper von Richard Strauss ist eine Femme fatale, also eine „verhängnisvolle Frau“, die durch ihre erotische Anziehungskraft Männer an sich bindet und sie manipuliert. Regisseurin Ulrike Schwab stellt Salome in eine Reihe mit Eva, Circe, Pandora, Lulu oder Carmen. Dabei ist der Mythos der Femme fatale aber in erster Linie eine Projektion männlicher Phantasien und Begierden. Auch in der Inszenierung von Ulrike Schwab wird Salome quasi zur Schau gestellt. Alle gaffen sie an: der Hauptmann Narraboth, ihr Stiefvater Herodes und selbst der Prophet Jochanaan scheint für einen kurzen Moment ihren Reizen zu erliegen, wenn Salome ihn zu entkleiden beginnt. Aber Salome ist zutiefst einsam und scheint eine traumatische Kindheit gehabt zu haben. Am Ende der Oper liegt ein von einer Plane verhüllter Körper auf der Bühne. Salome schwingt ein Beil und man denkt, dass sie jetzt selbst den Jochanaan enthauptet. Aber sie schlägt mit dem Beil auf den Palast des Herodes ein und unter der Plane kommt Salome als Kind hervor. Beide umarmen sich und Salome hat sich durch ihre wedergefundene Kindheit befreit. Jochanaan taucht derweil quicklebendig im Zuschauerraum auf.

© Jörg Landsberg

Schon beim Schleiertanz, der als solcher nicht stattfindet (dafür „tanzt“ Herodias und plantscht in dem von Wasser bedeckten Bühnenboden), beginnt ihre Emanzipation: Sie schubst den Dirigenten vom Pult und dirigiert ekstatisch das im Bühnenhintergrund postierte Orchester.  Salome wird am Ende nicht getötet und verlässt als freier Mensch die Bühne.

Auch wenn Text und Inszenierung nicht immer kongruent sind, ist insgesamt ein faszinierender Opernabend gelungen, bei dem auch der Zuschauerraum bespielt wird.  Das Bühnenbild von Rebekka Dornhege Reyes zeigt eine Mischung aus antiken Skulpturen und modernen Stahlgerüsten, wobei mehr oder weniger tiefsinnige Sprüche deutsch und englisch über Leuchtbänder eingespielt werden. Das war etwas zu viel des Guten, ebenso der am Anfang auf das Publikum gerichtete blendende Scheinwerfer.

Musikalisch blieben keine Wünsche offen. Stefan Klingele und die Bremer Philharmoniker entfachten einen differenzierten und opulenten Klangrausch, der einfach begeisterte. Mit Yannick-Muriel Noah gastierte in der Titelpartie eine Sängerin, die mit ihrem kraftvollen, in der Höhe unforciert strahlenden Sopran keine Grenzen kannte. Dank ihrer Bühnenpräsenz gelang ihr eine ungewöhnlich eindrucksvolle Darstellung. Christian-Andreas Engelhardt verband als Herodes die besten Eigenschaften eines Charaktertenors und einem Heldentenor. Er sang sehr pointiert und differenziert und gab der Partie trotzdem stimmliche Wucht. Michal Partyka gab mit seiner schlanken, asketischen Erscheinung und mit schneidender Härte geführtem Bariton einen markanten Jochanaan. Die Partie der Herodias wurde dank der stimmlichen Präsenz von Nadine Lehner kräftig aufgewertet. Bestens bewährten sich auch Oliver Sewell als Narraboth und Constance Jader als Page.

© Jörg Landsberg

Beim Judenquintett wurde die Vorstellung wegen antisemitischer Textpassagen unter der Leuchtschrift „Es ist großes Übel über das Land gekommen“ für eine Minute unterbrochen. Aber dass das Bremer Theater keinen Antisemitismus unterstützt, glaubt man auch so.

Wolfgang Denker, 5. Februar 2024


Salome
Richard Strauss

Theater Bremen

Premiere am 2. Februar 2024

Inszenierung: Ulrike Schwab
Musikalische Leitung: Stefan Klingele
Bremer Philharmoniker

Weitere Vorstellungen: 10., 14. Februar, 1., 8., 17. März, 6., 27. April, 2. Mai 2024