Bremen: Leonard Bernstein 100 – eine Geburtstagsgala

Premiere am 31.12.2017

Gelungene Hommage an ein Multitalent

Yoel Gamzou, der neue Musikdirektor des Bremer Theaters, liebt Leonard Bernstein. Und er liebt auch alles, was Bernstein liebte. „Er ist eins meiner größten Vorbilder, für mich ist er eine einzigartige Erscheinung in der Musikgeschichte“, sagt Yoel Gamzon. Bernsteins 100. Geburtstag wäre zwar erst am 25. August 2018 gewesen, aber das ist kein Grund, nicht schon jetzt das „Bernstein-Jahr“ einzuleiten.

Bei der von Gamzou konzipierten, moderierten und dirigierten Silvestergala sollten nicht nur Höhepunkte aus Bernsteins Schaffen erklingen, sondern auch Werke von Freunden, Weggefährten oder Komponisten, die für Bernstein eine zentrale Rolle gespielt haben. Folgerichtig versuchte die Geburtstagsgala mit einem sehr breiten Programm den vielen verschieden Talenten und Facetten von Leonard Bernstein nachzuspüren. Das ist auf begeisternde Weise gelungen.

Jeder andere Dirigent wäre wahrscheinlich schon nach der am Beginn stehenden Ouvertüre zu „Candide“ erschöpft zusammengebrochen, wenn er sie mit einem solch körperlichen Einsatz dirigiert hätte, wie es Yoel Gamzou tat. Aber seine Energie übertrug sich derart ungebrochen auf die Bremer Philharmoniker, dass das effektvolle Stück wie im Rausch abschnurrte. Von Aaron Copland, einem engen Freund Bernsteins, gab es „5 Old American Songs“, die Loren Lang, ganz stilgerecht im roten Hemd und mit Cowboy-Hut, authentisch gestaltete, wobei ihm das lustige „I bought me a cat“ besonders gut gelang. Der Chor des Bremer Theaters glänzte mit dem Autodafé aus „Candide“, das durch die farbenfrohen Kostüme der Sänger wie ein fröhliches Volksfest wirkte. „A little bit in love“ aus „Wonderful Town“ wurde von Patricia Andress wie ein intimes Chanson gesungen, wobei sie von Israel Gursky am Klavier begleitet wurde. „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Lehars „Das Land des Lächelns“ fiel in diesem Programm zwar etwas aus dem Rahmen, aber dafür brillierte Christian-Andres Engelhardt bei diesem Operetten-Evergreen mit Glanz, Kraft und einer Rose in der Hand. Mit „Glitter and be Gay“ aus „Candide“ waren wir wieder bei Bernstein. Nerita Pokvytyté kam von einer Wendeltreppe auf die Bühne und bewältigte diese Bravour-Arie mit begeisternder Virtuosität.

Die „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin ist ein Stück, dem Bernstein sich sehr verbunden fühlte und bei dem er oft den Klavierpart selbst spielte.

Für die Überraschung des Abends sorgte nun der Tenor Chris Lysack, den das Bremer Publikum aus vielen Partien kennt. Hier präsentierte er sich aber nicht als Sänger, sondern als Pianist (!). Es dürfte den meisten nicht bekannt gewesen sein, dass er vor seiner Sängerkarriere auch als Pianist ausgebildet wurde. Wie er mit kraftvollem Anschlag, mit einer Spielkultur zwischen verspielten Läufen und furiosen Akkorden das Stück meisterte, konnte nur Staunen machen.

In seiner sympathischen und kenntnisreichen Moderation, die stets von herzlicher Bewunderung für Bernstein geprägt war, stellte Gamzou die Frage, ob Gustav Mahler durch Bernstein, oder Bernstein durch Gustav Mahler berühmt geworden sei. Denn Bernstein hatte wesentlichen Anteil an der „Wiederentdeckung“ Mahlers in den sechziger Jahren. Mit dem „Adagietto“ aus seiner 5. Symphonie und dem „Urlicht“ aus seiner 2. Symphonie unterstrichen die Bremer Philharmoniker ihre oft bewiesene Kompetenz in Sachen Mahler. Dem „Urlicht“ schloss sich pausen- und bruchlos der Liebestod aus Wagners „Tristan und Isolde“ an, bei dem Nadine Lehner die immer mehr gewachsene Strahl- und Ausdruckskraft ihrer Stimme eindrucksvoll demonstrierte.

Am Schluss stand dann das Werk, für das der Name Bernstein ewig stehen wird: „West Side Story“. In einer langen Melodienfolge, die von „Maria“ und „Tonight“ bis zu „America“ und vor allem den Symphonischen Tänzen reichte, die von Gamzou und den Bremer Philharmonkern aufregend musiziert wurden, glänzten Chris Lysack (nun wieder als Tenor), Nerita Pokvytyté, Nathalie Mittelbach, Patricia Andress und Nadine Lehner sowie der Chor des Bremer Theaters (Alice Meregaglia), der einen ergreifenden Schlusspunkt setze. Wenn das Jahr 2018 so weitergeht, wie das alte Jahr ausgeklungen ist, kann man nur zuversichtlich sein.

Wolfgang Denker, 01.01.2018

Fotos (c) Wikipedia / Jörg Landsberg