Bremen: „Orpheus in der Unterwelt“, Jacques Offenbach

© Jörg Landsberg

In Goethes „Faust“ verwandelt sich ein Pudel in Mephisto. In Offenbachs Orpheus in der Unterwelt gibt es eigentlich keinen Hund. Wohl aber wenn Frank Hilbrich inszeniert. Der Pudel ist hier Plutos zahmes Haustier, das sich sogar von der Souffleuse streicheln lässt. Überhaupt ist hier einiges anders. Statt der (leider) entfallenen Ouvertüre sieht und hört man, wie sich Eurydike am Klavier mit den Arien der Königin der Nacht plagt. Sie ist also Sängerin und führt mit  dem Geiger Orpheus eine Künstlerehe. In der gibt es aber nur noch handgreifliche Streitigkeiten, bei denen die Fetzen fliegen und die Geige zertrümmert wird. Eurydike kommt nicht durch einen Schlangenbiss zu Tode, sondern Aristeus alias Pluto (der ist hier Klavierstimmer und kein Schäfer) beißt sie wie ein Vampir in den Hals und entführt sie in die Unterwelt. Dort sieht es aber genauso aus wie oben: Grüner Vorhang, ein Fahrstuhl und ein Klavier (Bühne von Volker Thiele). Die Langeweile bleibt Eurydike treu – dumm gelaufen.

Langeweile herrscht auch auf dem Olymp. Man sieht eine chaotische Sofalandschaft, in der die Götter vor sich hindümpeln. Einzig Juno, die Hüterin der Ehe, sticht mit ihren spitzen Bemerkungen heraus. Lilo Wanders verkündet sie über Mikrofon. Immerhin sorgen die Auftritte der einzelnen Götter, bis hin zu dem vom Himmel schwebenden Merkur, für etwas Leben.

© Jörg Landsberg

Aber eigentlich haben alle die Nase voll vom täglichen Einerlei und schleudern ihre Pizzakartons angewidert auf den Boden. Da kommt der bevorstehende Ausflug in Plutos Reich wie gerufen.

Frank Hilbrich hat für diese Produktion eine eigene, durchweg gelungene Textfassung geschaffen. Auch einzelne Texte von Lilo Wanders, leider oft mit erhobenem Moralzeigefinger, fanden Berücksichtigung. Hilbrich hat in Bremen bereits hervorragende Inszenierungen abgeliefert. Er versteht sein Handwerk und kann durchaus Pointen setzen. Aber einzelne Knaller ergeben noch kein Feuerwerk. Diesmal wollte der Funke nicht so recht überspringen. Dazu waren manche Szenen zu lang, etwa der Beginn oder auch der Auftritt von Hans Styx trotz eines hervorragenden Karsten Küsters. Der sang das berühmte „Als ich einst Prinz war von Arkadien“ intensiv und mit immer noch imponierender Stimme. Und dem Versuch Jupiters, sich Eurydike als Fliege zu nähern, fehlte es an Witz und Charme. Der Höhepunkt dieser Operette, auf den alle warten ist der Can Can am Ende. Auch den hat man schon mitreißender erlebt, obwohl die Choreographie von Sascha Pieper insgesamt durchaus ihre Meriten hatte.

© Jörg Landsberg

Das der Abend trotzdem unterhaltsam war, ist auch der Leistung des Ensembles zu verdanken. Diana Schnürpel war eine Eurydike, die mit höhensicherem Sopran für sich einnehmen konnte. Sie singt demnächst an der Deutschen Oper Berlin die Königin der Nacht. Die Tenöre Oliver Sewell, Ian Spinetti und Christian-Andreas Engelhardt waren als Orpheus, Pluto und Jupiter die Männer, mit denen Eurydike fertig werden musste. Als Göttinnen und Götter waren Maria Martín Gonzáles (Diana), Constanze Jader (Venus), Miriam Murgulia ( Cupido) und Yosuke Kodama (Merkur) mit jeweils individuellen Leistungen zu erleben. Die Öffentliche Meinung trat als Gruppe auf, angeführt von Ulrike Mayer. Regine Standfuss hat dafür irrwitzige Kostüme geschaffen: Gesichtslose, plumpe Kobolde in Grau. Auch der Tänzer Evert Bakker sorgte in seinem Hundekostüm immer wieder für Schmunzeln.

Offenbach Musik war bei William Kelley und den Bremer Philharmonikern in den besten Händen. Sie wurde schwungvoll und differenziert serviert. Auch der Chor in der Einstudierung von Noori Cho überzeugte in Spiel und Gesang ohne Einschränkungen.

Wolfgang Denker, 30. Oktober 2023


Orpheus in der Unterwelt
Operette von Jacques Offenbach

Theater Bremen

Besuchte Premiere am 28.10.2023

Inszenierung: Frank Hilbrich
Musikalische Leitung: William Kelley
Bremer Philharmoniker

Weitere Vorstellungen: 31. Oktober, 11., 23., 26. November, 3., 15., 23. 25., 29., 31. Dezember 2023