Hagen: „Blaubarts Burg“ / „Der wunderbare Mandarin“, Béla Bartók:

Premiere: 15. Januar 2022

Blaubart im Knast und ein gegenderter Mandarin

Neben Henry Purcells „Dido and Aeneas“ ist Bela Bartoks „Blaubarts Burg“ einer der Opernhits der Corona-Pandemie, schließlich benötigt man für das pausenlose Stück nur zwei Akteure. An Rhein und Ruhr gibt es in dieser Saison gleich vier Produktionen: Essen und Düsseldorf spielen den Einakter als Einzelstück, in Wuppertal wird es mit dem Vorspiel zu „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss gekoppelt. In Hagen steht es im Verbund mit Bartoks „Der wunderbare Mandarin“ auf dem Spielplan. Das ist insofern legitim, als der „Mandarin“ bei seiner Kölner Uraufführung im Jahr 1926 in dieser Kombination gezeigt wurde.

Die Regie von „Blaubarts Burg“ liegt in den Händen des Hagener Intendanten Francis Hüsers. Der macht aus dem Märchenspiel ein Psychodrama: Blaubart sitzt als Frauenmörder in der Einzelzelle und wird von der Psychologin Judith besucht, die ein Gutachten verfassen soll, sich dabei in ihn verliebt, aber schließlich auch distanziert und ihn am Ende alleine im Gefängnis zurücklässt.

Diese Deutung bringt viele Reibungen mit dem Text, jedoch spielen und singen Dorottya Láng und Dong-Won Seo als Blaubart so überzeugend, dass das Konzept aufgeht. Francis Hüsers und sein Ausstatter Alfred Peter finden überzeugende Bilder: Die ersten Türen, die eigentlich in Blaubarts Burg geöffnet werden, sind hier nur Zeichnungen, die er anfertigt und über die Judith einen Einblick in seine Person gewinnt. Später öffnet sich die Zelle, verschwindet sogar, und man sieht projizierte Landschaftsbilder, während sich die beiden Figuren näherkommen.

Dorottya Láng überzeugt mit ihrem klaren Mezzo, der auch viel dramatisches Potenzial enthält. Dong-Won Seo singt die Partie mit warmem und gut gerundeten Bass. Auf seinen Gurnemanz, den er hier ab März in Wagners „Parsifal“ singen wird, darf man gespannt sein.

Die Choreografie von „Der wunderbare Mandarin“ liegt in den Händen von Kevin O´Day. Im Programmheft wird betont, welch ein Skandal diese Geschichte von Zuhältern und Prosituierten, bei der ein Mandarin am Ende getötet wird, dann aber zu neuem Leben erwacht, bei der Uraufführung gewesen sei und dass Bartok aber strikt an diesem Libretto festgehalten hat. Umso erstaunlicher ist, dass O´Day zwar das Milieu beibehält, aus dem einstigen Ballett-Schocker ein durch politische Korrektheit glatt gebügeltes Tanzstück macht, dass gut gelaunt uns sportiv daherkommt.

So werden im Programmheft die Prostituierten als „Sex-Arbeiterinnen“, die Freier zu „Kundinnen“ und die Zuhälter zu „Schlepperinnen“ bezeichnet. Das wirkt als hätte O´Day Angst irgendein Zuhälter könnte sich durch diese Benennung beleidigt fühlen.

Natürlich muss auch in der Besetzung gegendert werden und in jeder drei Gruppen, gibt es Männer und Frauen. Damit sich kein Chinese diskriminiert fühlt, ist der titelgebende „Mandarin“ jetzt nur noch ein Nachtclub, in der mit einem chinesischen Lampion verziert ist. Thomas Mika stellt auf die Hagener Drehbühne große Betonwände, die sowohl die Außenfront des Lokals als auch das großformatige Innere zeigt.

Die Choreografie Kevin O´Days gelingt furios und spannend, da sieht man, dass ein Könner am Werk ist. Bei der Charakterisierung der Figuren stört aber, dass die Schlepper mit ihren Jeans-Hosen, Kapuzenshirts und Baseball-Kappen eher wie eine Hiphop-Gruppe daherkommen und nur in ganz wenigen Momenten als gewalttätig und gefährlich gezeigt werden. Aber hier soll ja niemand diskriminiert werden. Überrascht ist man, dass diese vier Schlepper auch in den Tänzen zwischen Prostituierten und Kunden dauernd ihre Finger mit im Spiel haben und das weitgehend keusche Treiben zu steuern scheinen.

Generalmusikdirektor Joseph Trafton dirigiert „Blaubarts Burg“ sehr sängerfreundlich und farbenreich. „Der wunderbare Mandarin“ wird vom Philharmonischen Orchester Hagen virtuos musiziert und hat oft eine Kraft und Schärfe, die an Strawinskys „Sacre“ erinnert.

Rudolf Hermes, 22.1.2022

Bilder (c) Theater Hagen / Landsberg