Hagen: „Die Blume von Hawaii“, Paul Abraham

Besuchte Vorstellung: 22. Oktober 2021

Wenn ein Theater Paul Abrahams Operette „Die Blume von Hawaii“ auf die Bühne bringt, braucht das schon etwas Mut, denn die verworrenen Liebesgeschichten, die vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Imperialismus in Hawaii spielen, strotzen nur so vor Klischees, die aber oft gebrochen und hinterfragt werden. Zudem kommt im Song „Bin nur ein Jonny“ das berüchtigte N-Wort vor. Man durfte also gespannt sein, wie das Theater Hagen die Ohrwürm-Operette, die erst 2017 im nahehelegen Dortmunder Opernhaus in einer starken Aufführung gezeigt wurde, auf die Bühne bringt.

Lieder wie „Ein Paradies am Meeresstrand“, „Ich hab ein Diwanpüppchen“, „My Golden Baby“ sind starke Argumente, dieses Stück, das mit seinen gutgelaunten Tanzrhythmen besticht, auf die Bühne zu bringen. Auch in Hagen sorgt Dirigent Taepyeong Kwak dafür, dass die Musik den nötigen Schwung und Swing bekommt. Regisseur Johannes Pölzgutter konzentriert sich vor allem auf die vielen Liebesgeschichten, und streift die politischen Hintergründe nur am Rande: Im Zentrum steht die hawaiianische Prinzessin Laya, die sich in den Kapitän Reginald Stone verliebt, eigentlich aber den Prinzen Lilo-Taro heiraten soll. Der Prinz soll jedoch mit Bessie Worthington, der Nichte des Gouverneur Lloyd Harrison verheiratet werden, um die sich aber auch dessen Sekretär John Buffy bemüht.

Die Vielzahl der Handlungsstränge führt dazu, dass sich einige der Charaktere gar nicht richtig entfalten können. Dabei lässt Regisseur Pölzgutter die Geschichte in flotten und pointierten Dialogen ablaufen. Von Choreograph Sean Stephens hätte man sich noch mehr Einsatz gewünscht. Zwar können einige der Akteure zeigen, dass sie nicht nur toll singen, sondern auch großartig tanzen können, jedoch vermisst man in anderen Liedern eine choreographische Umsetzung. Der Regisseur, der auch für das Bühnenbild verantwortlich ist, kommt mit drei Palmen, einem Mond und einem Sternenhimmel (für die romantischen Szenen) aus. Das hört sich zwar nach wenig an, reicht aber um das Stück in schönen Bildern auf die Bühne zu bringen.

In der Doppelrolle der Prinzessin Laya und der Susanne Provence glänzt Sopranistin Angela Davis. Sie findet nicht nur den richtigen Operettenton für ihre Figur, sondern zeigt auch beachtlichen tänzerischen Einsatz. Richard van Gemert gefällt als Lilo-Taro mit seinem wohlklingenden Tenor, bleibt als Figur jedoch blass. Den Kapitän Reginald Stone singt Kenneth Mattice mit kernigem Bariton, neigt in der Höhe aber zum Knödeln. Die Gouverneurs-Nichte Bessie Worthington wird von Alina Grzeschik zwar schön, aber etwas zu opernhaft und zu brav gesungen. Zudem hätte man sich von dieser kecken Figur mehr tänzerischen Einsatz gewünscht. Mit tollen Steppeinlagen glänzt Alexander von Hugo als John Buffy.

Besonders gespannt war man auf den dritten Akt: Würde Frank Wöhrmann, der mit tollen tänzerischen Einlagen und leichter Stimme in der Rolle des Jim Boy überzeugte, „Bin nur ein Jonny“, vielleicht in einer textlich überarbeiteten Form, anstimmen. – Nein, tat er nicht, denn in Hagen fiel der Song mit dem N-Wort dem Rotstift zum Opfer, weil „die rassistisch konnotierten Stellen gestrichen“ wurden, wie es im Programmheft heißt. Dabei waren die beiden Librettisten selbst Opfer der Nazis: Fritz Löhner-Beda wurde in Auschwitz ermordet, Alfred Grünwald überlebte den Nazi-Terror, weil er in die USA floh.

Dass man „Bin nur ein Jonny“ auch heute noch spielen kann, hat die Dortmunder Inszenierung von Thomas Enzinger aus dem Jahr 2017 bewiesen. Dort wurde die Biografie des jüdischen Komponisten, der vor den Nazis in die USA geflüchtet war und aufgrund einer verschleppten Syphilis in geistiger Umnachtung gestorben war, zum Aufhänger der Produktion. Hier war Komponist Paul Abraham selbst der im Text besungene heimatlose „Nigger“, der für Geld singt.

Mit dieser „Blume von Hawaii“ bietet das Theater Hagen einen gut aufgelegten und unterhaltsamen Operettenabend.

Rudolf Hermes, 25.102021

Bilder (c) Theater Hagen