Hof: „Der fliegende Holländer“

Premiere am 22. September 2017

TRAILER

Senta träumt. Und danach ist sie kein Mädchen mehr.
Es geht schon in der Ouvertüre los. Zu den gepflegt angelegten Klängen der Hofer Symphoniker, die einem die schwere See fast körperlich spüren ließ, „erwacht“ Senta. Sie ist in ihrem Haus, unter den vielen wunderschönen Bühnenbilder von Annette Mahlendorf ein weiteres Highlight, und erträumt sich die Handlung des Holländers.
Zugegeben, der Trick den Reinhardt Friese anwendet ist nicht neu, aber die Umsetzung ist genial. Mit der Verdoppelung der Senta, Susanna Mucha als die träumende Senta und Tanja Christine Kuhn als die geträumte, gibt er der Geistergeschichte um den verfluchten Seemann eine neue Dimension.

Albtraumhaftes Geschehen
Friese erliegt auch nicht der Versuchung die dramatische Musik Wagners im ersten Akt mit angestrengter Aktion auf der Bühne zu verdoppeln, der Traum Sentas verläuft in einer ruhigen Abfolge der Ereignisse. Zusammen mit dem scherenschnittartigen Bühnenbild ergibt sich dadurch ein alptraumhaftes Tableau. Senta selbst steht als kühle Beobachterin dabei, erlebt wie ihr Vater sie für schnödes Geld verkauft, ohne Rücksicht auf ihre Bedürfnisse oder ihre Wünsche.

Gnadenlose Personenanalyse

Auch die Spinnstube bleibt genauso surrealistisch. Senta sieht sich selbst zu, wie sie von ihrer Erzieherin Mary gegängelt, verspottet und gedemütigt wird. Der Damenchor agiert als biedermeierliche Portraits an der Zimmerwand. Auch Erik, der einzige Mann im Dorf der nichts mit der Seefahrt zu tun hat, ist wie alle anderen ein bleicher Zombie. Fixiert auf seinen Vorteil, versucht er Senta für seine Zwecke auszunutzen. Als Daland dann seinen Favoriten mit in sein Haus bringt, und Senta sich endlich ihrem Traumprinzen gegenüber steht ihrem Glück eigentlich nichts im Wege, eigentlich. Aber auch der Verdammte versucht sich Senta, durch Druck und Drohungen mit der ewigen Verdammnis gefügig zu machen. Im Traum erlebt Senta ihren eigenen Tod, ein auch von Wagner geforderten, Sprung von einer Felsenklippe, und erwacht. Das Schlussbild zeigt die reale und die Traumsenta vereint als selbstbewusste Frau, die sich von allen Männern in ihrem Leben, aber auch von ihren Jungmädchenträumen, trennen wird.

Regietheater der besten Sorte
Reinhardt Frieses mutig angelegtes Konzept geht nicht nur deshalb auf, weil er mit Susanne Mucha eine exzellente Schauspielerin im Ensemble hat, die scheinbar mühelos ihre stumme Rolle bewältigt. Auch „Regietheatereinfälle“ wie die Damen des Balletts als wollweiße „junge Schwänchen“ oder viel besser als wildgewordene Spinnräder auf Extacy im Spinnstubenbild, die Herren des Balletts als tote Marionettenholländer im letzten Bild, wie so oft sind die Choreographien Barbara Busers berückend, tragen zu diesem Nachtmahr bei.
Walter E. Gugerbauer, der den Posten als GMD von Arn Goerke übernahm, setzt mit seinem Einstand einen Markstein. Seine „Mannen“, in fast kompletter Besetzung, spielen die Partitur makellos, aber nicht leidenschaftslos. Nie wird ein Sänger übertönt nur um den „typischen“ Wagnerklang zu bekommen, Gugerbauer weiß wann er die Dynamik drosseln muss, wann er aufdrehen darf. Allein die Orchesterleistung war mir schon ein Fest.

Gelungene Einstände
Seit der Saison 17/18 gibt es in Hof ein paar neue Gesichter. Minseok Kim überzeugt als Dalands Steuermann, Rainer Mesecke ist ein abgründiger Daland. An dieser Stelle Gratulation zum gelungenen Einstand, man freut sich auf weitere Produktionen.
Stefanie Rhaue, ein Hofer Urgestein, singt und spielt die Mary als bösartig sadistischer Quälgeist, James Tolksdorf einen stimmlich wie auch szenisch elegant barocken Holländer. Alexander Gellers Erik verführt mit seinem virilen Tenor. Die eigentliche Überraschung dieser Produktion ist aber Tanja Christine Kuhn. Die junge Sängerin war schon als Mi im „Land des Lächelns“ zu Gast in Hof. Hier wie da war sie in ihrer doch so unterschiedlichen Rollen hinreißend.

Fantastische Ensembleleitung
Der mit einigen Gastsängern verstärkte Opernchor wurde von Hsin-Chien Fröhlich und Claudio Novati vortrefflich einstudiert.
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile, egal ob die Schwerpunkte nun auf der musikalischen Seite, der Regie oder in der fantastischen Ausstattung liegen. Zu diesem überwältigenden Abend tragen aber auch viele Menschen hinter der Bühne bei. Mehr als lobend will ich hier, ohne andere Gewerke zu vernachlässigen, das Maskenbild und die lautlos arbeitende Technik erwähnen.
Um ein abschließendes Fazit zu ziehen, dieser Holländer lohnt jeden Kilometer Autobahn!

Bilder H. Dietz
Alexander Hauer 7.10.2017