Hof: „Mein Kampf“

besuchte Vorstellung Premiere am 23. Juni 2017

Mit Klezmerklängen zum Ursprung des Grauens

Und manchmal gibt es im Theater die Abende an denen alles stimmt. In den Reigen der überragenden Stücke im Studio Hof reiht sich als letzte Produktion der Saison ein weiteres Juwel ein.
Sapir Heller macht aus Taboris Hitlerfarce ein aktuell gültiges Werk über Verführbarkeit, Naivität und Verblendung.
Herzl und Lobkowitz-Gott hausen im Männerasyl, als das Böse eindringt. AH, hier ein bösartiger Cousin von ETA Hoffmanns Klein Zaches, betritt die Szene. Aus dem anfänglichen Spott von Herzl und Lobkowitz, entwickelt sich Mitleid und Verständnis. Das Ende ist uns allen bekannt.

Neo und Altnazis werden kotzen

Ursula Gaisböck gestaltet das Männerheim unter einer Metzgerei als eine Ecke der Klagemauer, verweigert sich auch in den Kostümen jeglicher brauner Folklore. Keine Hakenkreuze, keine SS Uniformen. Dieser Kampf ist zeitlich nicht gebunden.
Michael Falk erfindet dazu eine Musik, die die Tragik dieser Geschichte beinahe ad absurdum führt. Beste Unterhaltungsmusik als Hintergrundbeschallung zum Thema Judenvernichtung, und dann sind wir wieder ganz bei Tabori der sein Stück ja eine Farce nannte. Seine Musik, alles aus eigener Feder bis auf dem Abendstern von Wagner, changiert von Klezmer, Tangoklängen hin zu Rock. Besonders interessant ist dabei, dass Hitler im Finale keine eigene Musik hat, dass er sich immer bei den anderen bedient, ihnen die Identität stiehlt.

Exzellente Darsteller, hervorragend geführt
Zugegeben, als ich vor geraumer Zeit die Besetzung las, Karsten Jesgarz als Herzl und Thilo Andersson als Lobkowitz, musste ich mich erst an die Vorstellung gewöhnen zwei veritable Opernsänger im Schauspiel zu sehen. Aber, die beiden sind auch Darsteller im besten Sinne des Wortes. So wenig sie im Musiktheater sich an die Rampe stellen, so intensiv sie Rollen verkörpern, verflüchtigten sich meine Bedenken ziemlich schnell. Und ich wurde nicht enttäuscht. Wie aus anfänglichem Spott über das Tiroler Landei allmählich ein Kümmern, ein Sorgen wird und die damit einhergehende Selbstaufgabe, ist schon ein Highlight für sich. Auch die Dialoge Herzl mit Gretchen, diese väterliche Fürsorge des alternden Mannes, dieses nicht eingehen auf die Avancen des früh erblühten Gretchens, Susanna Mucha wie immer perfekt, gibt der Figur eine weitere Tiefe.

Anderssons Lobkowitz- Gott verschwindet und taucht als Himmlisch wieder auf. Aus dem Kümmerer ist ein Täter geworden. Einer, der mit buchhalterischer Gelassenheit über Leben und vor allem über den Tod eiskalt entscheidet, um dann in großer Geste zu behaupten, dass er nur nach Befehl gehandelt hat.
Unter verführerischen Tangoklängen betritt Anja Stange, Frau Tod, die Szene. Gelassen gestaltet sie die Meisterin aus Deutschland, lässt Herzl in die ihm gestellte Falle tappen, schiebt ihm die Schuld am kommenden Unglück zu. Und wenn sie im Finale, in dem die kleine Theaterwelt symbolisch für die Große zerstört wird, steht sie lässig auf einem Podest und versprüht Giftgas aus einer Dose…..
Bleibt nur noch einer. Rüdiger Frank als Adolf. Darüber kann man nicht viel schreiben, das muss man erlebt haben, wenn dieser kleine Mann versucht sich die ganze Welt untertan zu machen, mit allen Tricks, perfide und bösartig, alle gegeneinander ausspielend. Und man sitzt im Publikum und fällt genau auf diese Masche rein. Rüdiger Frank, Ihnen gehört die Krone dieses Abends, noch nie habe ich eine Figur so sehr gehasst und bemitleidet wie an diesem Abend.

Nach knapp zwei Stunden ging das pausenlose Stück zu Ende, der Premierenapplaus wollte kein Ende nehmen, immer und immer wieder kamen Schauspieler, Band und Leitungsteam zum Verbeugen.
Alexander Hauer 29.6.2017

Bilder (c) Theater Hof

PS: Das Theater Hof hat bislang zwei Zusatztermine, am 8. Und 9. Juli geschaltet. Die regulären Vorstellungen waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.