Hof: „Maske in Blau“

Premiere: 16.12. 2016., besuchte Vorstellung: 8.1. 2017

Super Stimmung, tolle Rhythmen

Maske in Braun? Otto Schneidereit merkte 1958 in seinem „Operettenbuch“ an: „An jenem Tage, an dem der britische Botschafter in Berlin, Neville Henderson, die Worte niederschrieb: ‚Die deutsche Luftwaffe wächst weiterhin mit beunruhigender Schnelligkeit, und zur Zeit ist kein Ende dieses Wachstums abzusehen‘ – an jenem Tage, an dem im spanischen Bürgerkrieg Tausende von Freiheitskämpfern ihr Leben lassen mussten – an jenem Tage, dem 27. September 1937, brachte das Berliner Metropol-Theater eine Uraufführung heraus. Mit diesem Werk gelang es“, so Schneidereit, „der ‚Fratze in Braun‘ sich eine ‚Maske in Blau‘ vorzubinden.“

Natürlich weiß auch das Produktionsteam der Hofer Aufführung von Fred Raymonds und Heinz Hentschkes „Maske in Blau“, dass die einzige deutsche Operette der Nazizeit, die noch auf den Bühnen gebracht wird, damals auch vom politischen Tage ablenken sollte. Dass sich Hitler und Mussolini just am 27.9. 1937 in Berlin trafen, wird im Programmheft reflektiert, doch hat das Stück genügend musikalische Qualitäten, auf deutsch: Schlager, die es erlauben, vom Zeitgeist anno 1937 abzusehen. Auch die Konterkarierung des heiteren Stücks durch dunkle Bilder wäre ja im Zeitalter des sog. Regietheaters möglich (und vielleicht nicht das Schlechteste)

Der Regisseur Ivan Alboresi, der Dirigent Roland Vieweg, die Choreographin Barbara Buser, der Bühnenentwerfer Herbert Buckmiller und der Kostümgestalter Götz Lanzelot Fischer setzen ganz auf den durchaus eleganten Charme, nicht das Grauen der späten 30er Jahre. Dass die bühnenrahmenden Passepartouts, in denen sich die Prospekte und Bilder befinden, konsequent schief stehen, kann schon als Interpretation der aus den Fugen geratenen Zeit gedeutet werden, aber das war es denn schon mit der Zeitkritik. In Wahrheit genügt es, die relativ banale Liebes- und Intrigengeschichte um den Maler einer zunächst anonymen „Maske in Blau“ und seiner Geliebten, einer südamerikanischen Donna (Sonja Westermann erfreut Auge und Ohr), samt mehr oder weniger komischer Nebenfiguren – unter denen die Bayerische Bierwirtin alias Marianne Lang herausragt, die als Marchese Cavalotti auch eine Art Prinz Orlowsky gibt – jener Dramaturgie auszusetzen, die Musik und Tanz so souverän vorgeben.

Mit Foxtrott und Machiche, Csárdás und Swingfox bewegt man sich immer noch beschwingt über die Bühne. Ein molldurchtränkter „Walzer in Blau“ wird vom Ballettensemble mit klassisch-russisch Hebefiguren und Schritten, eine Gruppen-Choreographie mit der Juliska Varady der piepsigen, im Vergleich zu allen anderen Sängern dieses Abends zu musicalhaft singenden Susanne Mucha einfach sexy gemacht, also ganz im Geist der 20er Jahre, der noch auf die Revueästhetik der Nazizeit ausstrahlte. Das Putz-Terzett mit dem prachtvoll chargierenden Thilo Andersson als Kilian erfreut das wieder einmal sehr alte Operetten-Publikum ebenso wie der Pas de deux, mit dem die Erzählung des „Helden“, natürlich ganz in blau, im Hintergrund verdoppelt wird. Die Schlager heißen „Maske in Blau“, „Die Juliska, die Juliska“ – und die große Nummer für den Tenor, damit das Leitmotiv der partiell pseudotragischen Handlung, „Schau einer schönen Frau nicht zu tief in die Augen“.

Benjamin Popson macht das sehr schön; allein man wäre arrogant, würde man bei der Charakterisierung seines Tenors darauf hinweisen, dass er „für Hof sehr gut sei“. Man tanzt den Frühling in San Remo und besingt das "Temprament" – und der Schluss ist eine große Shownummer mit allen Beteiligten, leuchtenden Kostümen, Rhythmus, Spaß und Guter Laune. Nicht mehr, aber auch nicht weniger – und der Operettenkenner freut sich darüber, dass im differenzierten Orchester, zumal mit den typischen Bläsern der Epoche, jener zwischen Lehár und Lincke changierende Klang produziert wird, wie er auch einer durchaus haltbaren Operette der Nazizeit angemessen ist. Dass nach dem lang anhaltenden Schlussapplaus indes nicht die mitreißende „Sassa“-Nummer zugegeben wurde: dies war allerdings schade – und unverständlich. Das Publikum hätte sie sicher gern noch einmal genossen.

Fotos 8c) Theater Hof / H. Dietz

Frank Piontek 9.1.2017