Hof: Der „Ring“ als Musical

Premiere am 29. 10. 2016

Wovon man dann besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt…

Was in diesem Falle nicht nur für Witwe Boltes Sauerkraut gilt, sondern auch für die Neufassung von Frank Nimsgern. Nach fast 10 Jahren hat er sein Meisterwerk überarbeitet, neu arrangiert, Songs dazugeschrieben, in einer Art und Weise, dass man schon fast von einer Uraufführung sprechen könnte.

Der Rhein fordert seine Opfer, ein sinkender Luxusliner, Herbert Buckmiller schuf einen Salon in Schräglage, der eine in sich erstarrte Gesellschaft symbolisiert, Die dem Untergang geweiht ist. Matrosen werden von ihm verschlungen. Die Götter opferten dem Rhein ihr Gold, um den Menschen Habgier, Machtgelüste und die damit zusammenhängenden Umstände zu ersparen. 1000 Jahre sind vergangen, die Rheintöchter, die den Schatz bewachen sollen langweilen sich zu Tode. Alle glauben, das Gold hätte seine Wirkungskraft verloren, bis ein Zwerg, Alberich, von einem Lachs hinabgezogen wird und bei dem Anblick des magischen Schatzes seiner Gier nach Macht nicht mehr wiederstehen kann. Das Elend beginnt von neuem.

Nicht ganz Wagner

Wotan, der nur noch seine Macht ohne jede Verantwortung ausübt, hat alle seine „Mitgötter“ weggebissen und lebt zusammen mit seiner Tochter Brunhild auf diesem Schiff. Um den Neubau seines neuen Palastes zu begleichen stiehlt er Alberich den Ring, ohne schlechtes Gewissen, denn einem Dieb etwas zu stehlen ist in seinen Augen kein Diebstahl. Die beiden Riesen Fafner und Fasolt entzweien sich wegen des Ringes, Fafner mutiert zum Drachen, der den Schatz bewacht.

Derweil sinnt Alberich auf Rache, um wieder den Ring zu erlangen, schmiedet er sich im Machinenraum des Liners einen Mann aus Blut und Stahl, Siegfried. Er erzieht ich zu seinem willigen Sklaven, sein Ziel ist die uneingeschränkte Macht. Brunhild wiederspricht ihren Vater immer mehr, wie jeder Tyrann kann auch Wotan keine Kritik ertragen und versenkt sie in einen ewigen Schlaf. Siegfried erlegt den Drachen, erweckt Brunhild. Die Kinder zweier übermächtiger Väter erkennen in dem anderen, dass es im Leben um mehr geht als um Macht. Der Ring an Siegfrieds Hand zeigt aber auch schon seine Wirkung. Als Alberich den Ring fordert tötet Siegfried ihn. Aber auch Wotan bedrängt seine Tochter ihm die Macht zu erhalten, durch Siegfrieds Sieg über ihn, hat er seine Göttlichkeit und seine Unsterblichkeit verloren. Brunhild überzeigt Siegfried dein Ring wieder in die Obhut der Rheintöchter zu geben, das Gleichgewicht, eine Utopie des Friedens ist wieder hergestellt.

Dramatisches Stück mit viel Humor und Erotik

Für den Humor ist in erster Linie Alberich verantwortlich, mit launigen Scherzen in derben sächsisch, spielt sich Chris Murray sofort in die Herzen des Auditoriums. Im krassen Gegenteil agiert Christian Venske, ein eiskalter Agitator, selbst in seiner Rolle gefangen, entweder im schwarzen Lackmantel mit ebensolchen Südwester oder im eleganten weißen Mantel mit Pelzkragen.

Für die Erotik sind das Ballett und vor allem die Rheintöchter verantwortlich. Jessica Kessler, Cornelia Löhr und Georgia M. Reh, von Annette Mahlendorf hintergründig dezent in schwarz-rot-gold gestaltet, sind, und jetzt erlaube ich mich etwas Chauvinismus, schlicht und ergreifend ein Augenschmaus.

Musikalisch und szenisch auf allerhöchstem Niveau

Reinhardt Friese gelingt es mit seinen Ausstattern ein glaubwürdiges Abbild einer Gesellschaft am Abgrund zu zeigen. Tagesaktuelle Bezüge mögen da eher zufällig sein, sind aber klar zu erkennen. Auch die Lösung dieser Konflikte, die Welt lässt sich nur durch die Liebe retten, geht nicht ohne Kollateralschäden von statten. So müssen sich Brunhild, einfach bezaubernd, Zodwa Selele , und Siegfried, Christopher Brose, seit Einstein in Hof gerngesehener Gast, sich gegen ihre Überväter durchsetzen, nein sich durch Tötung des alten Systems befreien. Diese beiden Väter, Wotan, Christian Venzke und Chris Murray als Alberich, breiten das ganze Spektrum ihres Könnens aus. Musikalisch wie szenisch changieren sie zwischen zarten und gewalttätigen Tönen, zwischen Liebe und Gier.
Nicht unerwähnt sollen Barbara Buser und Tamás Mester bleiben. Die Choreographien, insbesondere die des Drachenkampfes, kommen mit solch einer Leichtigkeit auf die Bühne, dass man geneigt ist, die schwere Arbeit dahinter zu vergessen.
Frank Nimsgern hat es sich nicht nehmen lassen, die Neufassung seines Werkes selbst zu leiten. Und was er und seine „Gibichungenmannen“ schaffen, lässt keinerlei Wünsche mehr offen. Perfektes Timing, ein fehlerloser Klang zusammen mit dem Bühnengeschehen lassen den „Ring 2.0“ zu einem unvergesslichen Abend werden.

Alexander Hauer 5.11.16

Bilder von H. Dietz Fotodesign, Hof

Credits:

MUSIKALISCHE LEITUNG Frank Nimsgern
INSZENIERUNG Reinhardt Friese
CHOREOGRAPHIE Barbara Buser
SCHWERTKAMPF Tamás Mester
BÜHNE Herbert Buckmiller
KOSTÜME Annette Mahlendorf

ALBERICH Chris Murray
WOTAN Christian Venzke
SIEGFRIED Christopher Brose
BRUNHILD Zodwa Selele
RHEINAMAZONI UND FEUERGEISTER
ZÄRTLICHKEIT UND HOHE PRIESTERIN Jessica Kessler
LUST UND PRIESTERIN Cornelia Löhr
SCHMERZ UND PRIESTERIN Georgia M. Reh

MUSIKER Frank Nimsgern // Michael Falk // Ralf Wunschelmeier // Philipp Renz
Ballett Theater Hof
Musicalclub Theater Hof