Koblenz: „Parsifal“

Besuchte Vorstellung: 17. April 2022

Für ein kleines Theater wie Koblenz ist Wagners „Parsifal“ eigentlich viel zu groß. Schließlich müssen eine Vielzahl anspruchsvoller Rollen besetzt werden, und das Wagner-Orchester passt gar nicht in den kleinen Orchestergraben. Erstaunlicher Weise kann Koblenz aber einen Großteil der Hauptrollen aus dem eigenen Ensemble besetzen, und das Orchester wird auf der Hinterbühne platziert, so dass der abgedeckte Orchestergraben mit zur Spielfläche wird.

Erst einmal muss man dem Theater Koblenz eine musikalisch gelungene „Parsifal“-Produktion bescheinigen. Dirigent Marcus Merkel , der ab der nächsten Saison Chefdirigent des Theaters Koblenz wird, lässt das Staatsorchester Rheinische Philharmonie schon im Vorspiel glutvoll musizieren. Die klanglichen Fein- und Schönheiten von Wagners Musik kostet er gekonnt aus. Die Tatsache, dass man dem Orchester beim Musizieren zuschaut, entmystifiziert Wagners Klänge jedoch ein bisschen. Auch stellt sich mit den Gesangsstimmen kein richtiger Mischklang ein, da die Stimmen immer im Vordergrund stehen und gar nicht erst über das Orchester hinwegsingen müssen.

Tobias Haaks glänzt mit kraftvollem und klarem Tenor in der Titelrolle. Die Dialoge des ersten Aktes gestaltet er textgenau, im zweiten Akt kann er in den Aufschwüngen mit heldentenoralem Glanz auftrumpfen, und im 3. Akt entlockt er der Rolle viele lyrische Schönheiten. Als Gurnemanz überzeugt Jongmin Lim mit markantem Bass und guter Textgestaltung. Von ihm würde man sich aber noch mehr lyrische und balsamische Töne wünschen.

Die Kundry wird von Monika Mascus verkörpert. Sie besitzt eine helle Stimme, der das jedoch dramatische Fundament fehlt. Das hat zur Folge, das den tiefen Tönen oft die Energie fehlt. Mit schneidend-scharfem Bariton singt Hansung Yoo den Amfortas. Als Klingsor entfaltet Nico Wouterse ein klug abgestuftes stimmliches Bedrohungspotenzial. Gut besetzt sind auch Gralsritter, Knappen und Blumenmädchen, wobei letztere hauptsächlich mit Absolventinnen der Düsseldorfer Robert-Schumann Hochschule besetzt sind.

Problematisch und rätselhaft ist jedoch die szenische Umsetzung durch Intendant Markus Dietze. Die über der Bühne schwebenden aufblasbare Plastikkuppel, die von Bodo Demelius entworfen wurde, macht mit ihren Projektionsflächen einen starken Eindruck. Im zweiten und dritten Akt sieht man hier meist abstrakte Lichtspiele oder Naturbilder, die gut die Stimmung der Musik und der Handlung unterstreichen. Im ersten Akt bekommt das Publikum aber Bilder von Raumschiffen, Asteroiden-Schwärmen und der kraterübersäten Mondoberfläche präsentiert. Im Zusammenspiel mit den Raumfahreruniformen der Gralsritter wird das Stück in einem Science-fiction-Szenario verortet, vielleicht sogar auf einem Raumschiff. Aber wo kommt Parsifal dann her?

Vollends ratlos ist man, wenn der zweite Akt im Mittelalter spielt, Klingsor wie ein Zauberer aus „Herr der Ringe“ gewandet ist, und die Blumenmädchen eine Mode irgendwo zwischen Nonne und Burgfräulein tragen. Hier hätte es der Produktion gut getan eine klare Linie zu finden. Eine zeitlos abstrakte Bebilderung oder eine konsequente Science-Fiction-Geschichte hätten dem Stück wahrscheinlich am besten getan.

Die Personenführung der Solisten ist werkdienlich und unauffällig. Jedoch hat man den Eindruck, dass die Choristen immer beschäftigt werden müssen: Im ersten Akt werden dauernd Pflanzen in quadratischen Kübeln hin und her geschoben sowie Neonröhren aufgebaut. Im zweiten Akt sind die Blumenmädchen vor allem mit der Positionierung von mattverspiegelten Stelen beschäftigt. Peinlich ist es, wenn zum Karfreitagszauber im 3. Akt von den Blumenmädchen lebensgroße Scherenschnitte diverser Tiere aufgestellt werden.

Unklar bleibt, was der Gral eigentlich sein soll? Hier wird eine Bodenluke geöffnet, und eine weiße Säule, die von Nebel umwabert wird, fährt aus dem Boden empor. – Bis Ende Juni ist dieser hörenswerte „Parsifal“ noch achtmal in Koblenz zu sehen.

Rudolf Hermes, 25.4.22

Bilder (c) Bauss