Bereits nach dem Besuch dieser Produktion in Mönchengladbach in der Spielzeit 2023/24 war klar, dass man diese Inszenierung unbedingt ein zweites Mal sehen muss. Es hat zwar rund ein Jahr gedauert, aber passend zur Vorweihnachtszeit war es nun endlich auch in Krefeld an der Zeit, den Ball im Savoy genauer unter die Lupe zu nehmen. Bereits im Dezember 1932 fand im Großen Schauspielhaus in Berlin die Uraufführung dieser Operette aus der Feder von Paul Abraham statt. Trotz des großen Publikumserfolgs verschwand das Werk aufgrund der jüdischen Herkunft des Komponisten leider wenig später im „Giftschrank“ der Nationalsozialisten und fand auch nach dem Krieg zunächst nicht mehr den Weg auf die Bühne. Das änderte sich erst mit einer beeindruckenden Inszenierung von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin im Jahr 2013. Inzwischen ist der Ball im Savoy erfreulicherweise wieder vermehrt auf den Spielplänen der Theater zu finden, denn das Werk versprüht förmlich gute Laune. Das Werk ist vor allem im ersten Akt eher wie eine Nummernrevue angelegt, in die immer wieder schwungvolle Lieder eingestreut werden, die von der reinen Handlung her relativ austauschbar sind. Walzer, Foxtrott, Slowfox, Paso doble und Tango wechseln sich ab, zum Teil in großen Revuenummern, in die auch das Ballettensemble des Theaters und ein zusätzliches Tanzensemble eingebunden sind. Mit dem Chanson kommt vor allem nach der Pause eine weitere Musikrichtung hinzu, die für die nachdenklicheren Momente des Abends sorgt.
Über die Handlung, die hier nun nicht vollständig wiedergegeben werden soll, hatte der Opernfreund schon nach der Premiere in Mönchengladbach geschrieben, dass sie aus heutiger Sicht etwas aus der Zeit gefallen wirkt und stellenweise auch Klischees bedient, die man heute in einem neuen Werk nicht mehr finden würde. Neben dem adeligen Marquis Aristide de Faublas und seiner Frau Madeleine, die nach einjähriger Hochzeitsreise rund um die Welt in ihre Villa in Nizza zurückkehren, sind es vor allem der türkische Attaché Mustapha Bei und die amerikanische Jazzkomponistin Daisy Darlington, die stark der Entstehungszeit der Operette verhaftet sind und mit vielen Klischees komödiantisch überzeichnet werden. Regisseur Frank Matthus verzichtet glücklicherweise darauf, die Rollen komplett umzudeuten. Stattdessen darf sich der grandiose Markus Heinrich charmant mit seinen sechs Exfrauen herumschlagen und immer wieder die durchaus zweifelhaften Ratschläge seines Vaters zum Besten geben. Auch Susanne Seefing darf mit herrlich amerikanischem Dialekt diverse Klischees bedienen und sowohl ihr gesangliches als auch schauspielerisches Können unter Beweis stellen. Durch diese Herangehensweise ertappt man sich beim Besuch der Aufführung übrigens immer wieder dabei, wie man für sich selbst feststellt, dass man das heute wohl aus gutem Grund so nicht mehr sagen sollte. Sozusagen eine humorvolle Auseinandersetzung mit Rollenbildern statt mit dem erhobenen Zeigefinger, die letztlich sogar noch stärker nachwirkt.
Gabriela Kuhn glänzt als Madeleine de Faublas musikalisch vor allem in den nachdenklichen Momenten des Stückes. Als Marquis Aristide de Faublas steht ihr mit Andrea Matthias Pagani ein Gastdarsteller zur Seite, der vor allem in großen Musicalproduktionen landesweit immer wieder zu sehen ist. Aber auch im eher klassischen Repertoire der Operette überzeugt er auf ganzer Linie. Der einzige größere Rollenwechsel zur Mönchengladbacher Aufführungsreihe betrifft die argentinische Tänzerin Tangolita, die nun ebenfalls stark von der jungen Mezzosopranistin Kejti Karaj verkörpert wird, die bereits in den vergangenen beiden Spielzeiten als Mitglied des Opernstudios Niederrhein in zahlreichen Aufführungen des Gemeinschaftstheaters zu erleben war. Bjorn Geudens als Anwalt Célestine Formant, Frank Valentin als Butler Archibald und Rochus Triebs als Barkeeper Pomerol runden das Ensemble stimmlich und komödiantisch perfekt ab.
Unter der musikalischen Leitung von Kapellmeister Sebastian Engel spielen die Niederrheinischen Sinfoniker in gewohnter Stärke. Besonders die schwungvollen Stücke wie Es ist so schön, am Abend bummeln zu gehn oder Warum bin ich verliebt in dich? bleiben auch nach dem Besuch der Vorstellung noch lange im Ohr. Dazu kommt eine rundum gelungene Inszenierung, die in knapp drei Stunden beste Theaterunterhaltung verspricht. Wer also schwungvoll ins neue Jahr feiern möchte, ist beispielsweise mit der Silvestervorstellung im Theater Krefeld gut beraten, für die es allerdings nur noch vergleichsweise wenige Restkarten gibt. Auch die beiden anderen verbleibenden Vorstellungen sind bereits gut gebucht, so dass auch hier mit einem begeisterten Publikum zu rechnen ist. Die Zuschauer in der besuchten Vorstellung ließen auf jeden Fall keinen Zweifel daran aufkommen, dass dem Theater Krefeld-Mönchengladbach hier ein großer Hit gelungen ist.
Markus Lamers, 21. Dezember 2024
Ball im Sayvoy
Operette von Paul Abraham
Theater Krefeld
Premiere: 4. Oktober 2024
besuchte Vorstellung: 18. Dezember 2024
Inszenierung: Frank Matthus
Musikalische Leitung: Sebastian Engel
Niederrheinische Sinfoniker
Weitere Aufführungen: 27. Dezember, 31. Dezember 2024, 11. Januar 2025