Krefeld: „Der Rosenkavalier“

Besuchte Premiere am 21.09.14

Hatten die Bühnen im Ruhrgebiet und näheren Umfeld im Juni den 150. Geburtstag von Richard Strauss so ziemlich vergessen, so wird das in der neuen Spielzeit gründlich nachgeholt. Krefeld beginnt den Reigen von drei Strauss-Premieren innerhalb einer Woche mit dem wohl beliebtesten Werk des Duos Strauss/Hofmannsthal dem "Rosenkavalier". Mascha Pörzgen gelingt eine sehr ausgewogene Regie, die sowohl das buffoneske, wie das philosophische des Werkes miteinander verknüpft. Das ein "Rosenkavalier" in aller barocken Opulenz auf die Bühne gehieft wird, wie in der sagenhaften Inszenierung Otto Schenks am Münchner Nationaltheater, kann sich kein Theater mehr leisten; so findet sich auch Frank Fellmanns Ausstattung im Spagat zwischen der Entstehungszeit von 1911 und der barocken Ansiedlung des Sujets. Die Zeit, eines der Hofmannsthalschen Hauptthemen wird bereits durch eine riesige Sonnenuhr und andere Zeitmesser zum Vorspiel ins Bildgeschehen gebracht, ehe sich der Raum für das Schlafzimmer mitsamt Lever-Outrage weitet. Bei Faninals wird der Raum, sicher auch dem Gebot der Sparsamkeit wegen, verengt, während das Beisl an billige Praterbuden und ihre rummelhafte Kulissenfaktur erinnert. Die Kostüme bewegen sich spielerisch durch Rokoko, über frühes Zwanzigstes Jahrhundert bis zur heutigen Stilmischung. Der dritte Akt zeigt leider auch in Pörzgens Spielführung die BIlligkeit drastischer Komödiantik, die Mariandl-Szenen werden etwas schenkelklopfend verschenkt, die große Ensembleszene mit Ochsens Flucht gerät nicht überzeugend. Doch insgesamt überwiegen die positiven Eindrücke bei der Regie.

Beachtenswert ist die Tatsache, daß ein so den Sparzwängen unterworfenes Haus wie die Bühnen Krefeld/ Mönchengladbach so ein riesiges Personenaufgebot wie im "Rosenkavalier", bis auf zwei Ausnahmen auf so gelungenem Niveau aus dem hauseigenen Ensemble und Chor besetzen können. Ausnahmen sind zum einen: Lydia Easley als Marschallin, vielleicht keine Stimme mit ganz großem Volumen, doch macht sie es durch schönes Soprantimbre in allen Lagen und vor allem durch eine sehr ergreifende, feinsinnige Interpretation mehr als wett. Und der eher ordentliche Faninal von Hans Christoph Begemann, der seine großen Momente in den outrierenden Eskapaden des zweiten Aktes hat.
Ansonsten alles Haussänger: Matthias Wippich als Ochs auf Lerchenau hat hier eine seiner besten Partien gefunden, bringt er zum einen die geforderte jugendliche Ausstrahlung mit, wie eine Stimmfrische, die lediglich in den ganz hohen Tönen an ihre Grenzen gerät, was wenig für eine Partie mit so einer weit gespannten Tessitur bedeutet. Besonders erfreulich seine österreichisch eingefärbte Sprachinterpretation. Eva Maria Günschmann zeigt als Oktavian ebenso elegant schlanke Figur, wie sie die stimmliche Leidenschaftlichkeit für den jungen Mann mitbringt, ein sehr gelungenes Rollendebut, der sich von Akt zu Akt steigernden Mezzosopranistin. Sophie Witte ließ sich in der Partie ihrer Namensvetterin indisponiert ansagen, überzeugte jedoch durch lyrische Unschuld und intelligentes Gestalten der wichtigen Stellen und leichte Zurücknahme der nicht ganz so wichtigen, da wird man bei Gesundung noch viel begeisterter sein.

Die kleineren Partien ebenfalls sehr beachtlich, so zum Beispiel einmal gesunden Sopranglanz versprühende Debra Hays in der oft nur leidlich gesungenen Leitmetzerinpartie. Das komödiantische Duo von Janet Bartolova und Markus Schneider als Annina uns Valzaccchi. Hayk Deinyan in der Doppelrolle von Notar und Polizeikommissar. Der blattgoldartig abblätternde Tenorglanz von Kairschan Scholdybajew in der exponierten Rolle des Sängers. So wie eigentlich alle Solisten und Chorsolisten mit viel Liebe kleine Glanzpunkte in den anvertrauten Aufgaben entwickeln konnten.

Musikalisch gelang ein von den Niederrheinischen Sinfonikern ein weitgehend schlackenloses Spiel in den verantwortungsbewußten Handen des GMD Mihkel Kütsons, der sich teilweise recht gediegener Tempi bediente, was im Zeitmonolog der Marschallin zu wundervollen Momenten führte, in spielerischen Szenen manchmal zu leichten Stockungen, die sicherlich in Folgeaufführungen behoben werden können. Kütson läßt gelegentlich eine dominante Führung vermissen, was bei den Sängern zu leichter Verwirrung in den Strukturen führt (Rosenüberreichung!). Ansonsten gerät gerade die dynamische Regelung der Lautstärken ausgezeichnet. Insgesamt eine sehr gelungene Premiere, die das Publikum zu langen Beifallsbekundungen und einigen Bravorufen begeisterte.

Martin Freitag 24.09.14