Krefeld: „Don Giovanni“

Besuchte Aufführung am 14.05.14, (Premiere am 10.05.14)

Verfilmtes Nachtstück

Schon vor drei Jahren hatte der Sänger und Regisseur Kobie van Rensburg an den Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach einen selten lebendigen, sehr erfolgreichen Mozart-Figaro auf die Bretter gestellt, so hatte man ihn für die Neuinszenierung des "Don Giovanni" wieder eingeladen. Das Ergebnis kann sich ebenfalls sehen lassen: Schon beim "Figaro" wurden die Projektionen von Lorenzo da Pontes genialem Libretto gleich Sprechblasen über die handelnden Personen direkt ins Bühnenbild integriert, was einen gleichsam filmischen Ablauf des Geschehens erfordert, im "Giovanni" wird der "Film Noir" zum Thema. Rensburg arbeitet mit seinen Ausstattern, Dorothee Schumacher und Lutz Kemper, auf das ebgste zusammen, denn der filmische Ablauf wird direkt auf die Bühnenelemente projeziert, ebenso müssen die Sänger genauestens auf den Ablauf achten, denn wenn im Film ein Fenster geöffnet wird,muß die Aktion dazu auf den Punkt erfolgen. Ganz toll gelingt wieder die Personenführung, die Figuren werden menschlich absolut erfahrbar, witzige Ideen bereichern die Handlung, statt sich in den Vordergrund zu drängen, das Ganze stets auf sehr musikalischer Ebene. Gerade die schnellen Ortswechsel werden brilliant gelöst, das Ambiente des New Yorks der zwanziger Jahre passt mit seinen geschmackvollen Kostümen hervorragend. Freilich gerät manches etwas dunkel, da wird der "Film Noir" zu sehr mit wenig Licht, statt mit pessimistischer Sicht verwechselt, die Projezierungen des Textes auf den dunklen Hintergrund sind nicht immer vorteilhaft. Doch das Positive der Szene überwiegt bei weitem, zum Finale mit Höllenfahrt wird sogar mit einer, wie ich finde, sehr gelungenen Pointe aufgewartet, die hier jedoch nicht verraten wird.

Solch eine Inszenierung kann jedoch auch nur mit einem ausgezeichneten Ensemble gelingen, mit sängern, die sich als Darsteller und nicht lediglich als Tonproduzenten verstehen, einem Ensemble wie es in Krefeld aufgeboten wird: Mit Martin-Jan Nijhof erlebt man einen attraktiven, agilen Giovanni, dessen Bariton durch sinnliche Viriltät besticht, sei es als despotischer Autokrat mit vokalem Anspruch oder raunendem Verführer wie in der Serenade; Nijhof kann mit allen Nuancen aufwarten. Andrew Nolen steht ihm als Leporello mit manchmal aufrührerischem Habitus, mal mit devoter Servilität zur Seite, manchmal gerät sein vokales Profil jedoch etwas nachlässig. Ein Clou der Vorstellung ist der erfundenen zweite Diener "Django", Andrew Maginley ist eigentlich weder Sänger , noch Darsteller, sondern Musiker, trotzdem fügt er sich prima in die Szene ein. "Django" trägt einen Gitarrenkasten mit sich und begleitet natürlich mit Laute und Mandoline nicht nur das Ständchen, sondern übernimmt auch manche Aufgabe des Continuo, was der Aufführung zusätzliche Lebendigkeit verleiht.

Elena Sancho Pereg ist ein bezaubernde Donna Anna von mädchenhafter Erscheinung und stählerner Seele, dazu passt ihr gut fokussierter Sopran mit interessant metallener Höhe hervorragend. Debra Hays gestaltet als reife Frau die Donna Elvira gerade durch ihre sensible Komödiantik zu einem glaubhaften Charakter. Susanne Seefings zerlina gefällt durch sinnliche Erotik ohne je frivol zu wirken, freilich klingen die Höhen ihres Sopranes etwas gefährdet, vor allem bei "Batti,batti", dann kommt es auch zu leichten Defiziten in der Intonation. Matthias Wippich als kerniger Masetto schöpft aus dem Vollen seines Bassbaritons und übernimmt auch Teile des "Komturs". In der ersten Szene wird dieser von Bondo Gogia effektvoll gesungen.

Alexander Steinitz liefert zu diesem "Film" den lebendigen "Mozart-Soundtrack", ohne einer historisch informierten oder romantischen Interpretation hinterherzuhechten, freilich machen seine manchmal etwas willkürlichen Temporückungen, den Sängern Schwierigkeiten, so daß es zu einigen Wacklern zwischen Graben und Bühne kommt, die jedoch schnell wieder eingefangen werden. Die Niederrheinischen Sinfoniker bleiben stets flexibel hinter ihrem Dirigenten und absolvieren den Orchesterpart mit großer Aufmerksamkeit, ebenso wie der Chor.

Mit dem "Don Giovanni" hat Krefeld/ Mönchengladbach auf jeden Fall wieder eine sehr attraktive Mozart-Produktion im Repertoire, die hervorragend beim Publikum ankommt und sich in ihrer verständlichen Modernität bestens dazu eignet gerade junge zuschauer für die Oper zu gewinnen. Musikalisch klingt vielleicht nicht alles perfekt, was jedoch marginal bleibt, denn hier entsteht echtes, glutvolles Musiktheater. Eine Fahrt nach Krefeld lohnt.

Martin Freitag 22.4.14