Krefeld: „Reigen“

Streaming-Premiere: 15.05.2021, 19.30 Uhr

Der Opernfreund unternimmt einen Abstecher zum Schauspiel

In diesen nach wie vor „theaterfeindlichen“ Zeiten ist man über jede neue Produktion des heimischen Theaters froh, daher war die Freude über die Ankündigung des Theaters Krefeld-Mönchengladbach groß, dass die fertig geprobte Inszenierung von Arthur Schnitzlers Reigen nun am 15. und 22. Mai, jeweils um 19.30 Uhr per Stream zu erleben ist. Aus diesem Grunde wagt sich der Opernfreund auch ausnahmsweise mal in den Schauspielbereich vor und er erlebt hierbei einen Theaterabend, der den Zuschauer doch etwas zwiegespalten vor dem Fernseher zurücklässt.

Zu sehen ist die bearbeitete Aufzeichnung der Generalprobe vom 26. März 2021. Ausgerechnet hier war allerdings ein Darsteller krankheitsbedingt nicht vor Ort, so dass seine Rolle in der Generalprobe durch eine Souffleuse übernommen werden musste. Für die Videoaufzeichnung wurde sein Text dann nachträglich eingesprochen. In Verbindung mit den aufgezeichneten Bildern, bei der auch immer wieder ein Kameramann durch das Bild läuft, entsteht ein eigenartiger Charme, der das Gefühl vermittelt, dass man beim Theater Krefeld-Mönchengladbach unter wirklich widrigen Umständen alles unternimmt, um für die Zuschauer überhaupt etwas auf die Bühne bzw. in diesem Fall den heimischen Fernseher oder Laptop zu bringen. Verstärkt wird das Gefühl dadurch, dass der Stream über den Silk-Browser am Fernseher technisch leider nicht auf Vollbild vergrößert werden konnte, was zur Folge hatte, dass man die recht dunkle Produktion hier mit einem weißen Rand verfolgen musste. Vielleicht war dies aber auch ein Einzelfall, am PC war die Nutzung des kompletten Bildschirms auf jeden Fall problemlos möglich. Dafür liefern alle beteiligten Schauspieler eine hervorragende Leistung und für den regelmäßigen niederrheinischen Theatergänger ist es schön, endlich mal wieder die altbekannten Gesichter in einer kompletten Inszenierung zu erleben, sowie gleichzeitig einige Ensemble-Zugänge der aktuellen Spielzeit erstmalig zu sehen. Allein hierfür lohnt sich der Kauf eines Tickets, was mit 10 Euro für 10 Dialoge durchaus erschwinglich ist.

In diesen zehn Begegnungen geht es um die Beziehung von Mann und Frau, wobei es in fast jeder Szene auch zum Sexualakt kommt. Jede Szene ist hierbei mit der folgenden durch eine Figur verbunden. So trifft die Dirne erst auf den Soldaten Franz, der Soldat trifft dann in der zweiten Szene auf das Stubenmädchen Marie, dieses Stubenmädchen trifft auf einen jungen Herrn und dieses Spiel wiederholt sich solange bis ein Graf auf die Dirne trifft und der Reigen in dieser Szenen unterbrochen wird. Von einem der größten deutschen Theaterskandale wie bei der Uraufführung 1920 in Berlin ist man heutzutage weit entfernt, erst recht, wenn es beim eigentlichen Sexualakt in der Regel dunkel wird auf der Bühne. Allgemein ist es schwierig eine Produktion, bei der es vordergründig auch um engen körperlichen Kontakt geht, unter den aktuellen Corona-Abstandsgeboten zu inszenieren. Dies geling Maja Delinić allerdings recht gut, indem sie die Suche nach dem seelischen Kontakt in den Vordergrund stellt. Das Bühnenbild stellt hierbei eine recht kühle Spirale dar, die von kleineren Naturelementen wie Sträuchern etwas aufgelockert wird (Bühnenbild: Ria Papadopoulou). Die Kostüme von Janin Lang sind sehr phantasievoll gestaltet, allerdings setzt hier dann auch das große „Aber“ ein. Die teilweise extrem grotesken Überzeichnungen der einzelnen Charaktere machen es schwierig sich auf die Texte zu konzentrieren. Immer wieder erwischt man sich dabei, die gesamte Inszenierung in diesem Punkt nicht ernst zu nehmen. Wenn der Ehegatte beispielsweise von zwei Schauspielern gleichzeitig gespielt wird, die durch das Haar miteinander verbunden sind, ist das Kostüm zwar nett anzuschauen und die schauspielerische Leistung der beiden Darsteller beachtlich, aber insgesamt wirkt es durch die Überzeichnung nicht nur unrealistisch, sondern sogar fast etwas beliebig. Auch dass zwei Teufel nach einem Vorspiel laufend als Beobachter ins Bild huschen, bringt der Inszenierung ebenfalls keinen rechten Mehrwert. Dass das Finale den Zuschauer dann mit einem weiteren kleinen Fragezeichen zurücklässt, passt fast etwas zu diesem Theaterabend. Allerdings ist der musikalische Einsatz von Harfe und Horn als musikalischer Gegensatz dann wieder sehr gut gelungen (Musik: Clemens Gutjahr) und weiß durchaus zu gefallen.

Am Ende ist es ein Theaterabend, der von der Inszenierung sicherlich auch etwas Geschmackssache ist, wobei ich mir sicher bin, dass mich persönlich diese Inszenierung live im Theater ganz anders angesprochen hätte, als dies am heimischen Fernseher nun möglich war. Dazu kommen die sehr guten Leistungen der Schauspieler, so dass man nach rund 100 Minuten wie eingangs erwähnt mit gemischten Gefühlen den Fernseher ausschaltet und sich darauf freut hoffentlich bald wieder live in einen Theatersaal gehen zu können. Wer sich selbst ein Bild von dieser Produktion machen möchte, kann sich in dieser Woche noch für 10 Euro ein Streamingticket für den 22. Mai 2021 sichern.