Magdeburg: „Die schöne Helena“

Premiere: 19.10.2019

Köstlicher Spaß

Nun feiert man auch in Magdeburg den 200. Geburtstag Jacques Offenbachs. Für die seit ihrer Uraufführung 1864 in Paris und 1865 im deutschen Sprachraum im Theater an der Wien erfolgreichen Operette „Die schöne Helena“, die durch ihren mythologischen Stoff an den vorhergehenden Erfolg von „Orpheus in der Unterwelt“ anknüpfte, hat die Autorin Simone Höft in Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Bühnenbildner Ulrich Schulz eine neue, eigens auf dessen Konzept zugeschnittene Dialogfassung erstellt. Man wollte das Stück aus heutiger Sicht „befragen“ und „dem Geheimnis wahrer Schönheit auf den Grund“ gehen, wie in der Ankündigung zu lesen war. Herausgekommen ist ein köstlicher Spaß, in dem die Mythologie durch altertümliche Kostüme der Protagonisten und schrille Outfits des Chores aus der Multimediawelt eine bunte Mischung ergaben (Lena Brexendorff). Da das Orchester – wie in Offenbachs Pariser Opera Bouffes – geschickt auf der Hinterbühne platziert war, konnte man den überbauten Orchestergraben nutzen und näher an das Publikum rücken. Die breiten Seitengänge des Zuschauerraums ermöglichten abwechslungsreiche Auftritte von dort direkt auf die Bühne, die mit einem beherrschenden Halbrund-Sofa und einem großen Laptop viel Raum zum Spiel gab. Eine hohe Treppe, quasi eine Abgrenzung zum Orchester, bot viel Platz für gestaffelte Aufstellungen. Einige Zwischenhänger teilten die Bühne für intimere Szenen ab. Als sich der Vorhang zum 3.Akt hob, war der Graben zum Meer mutiert, aus dem Badende und schließlich sogar ein U-Boot auftauchten, und eine Strandszene des Seebades Nauplia war entstanden. Hier spielte sogar das Orchester in Urlaubskleidung und der Dirigent trug Shorts und Sockenhalter! Eine Super-Idee…

Isabel Stüber Malagamba/Benjamin Lee

In diesem Ambiente wurde nun nach Kräften auf Französisch gesungen, auf Deutsch gesprochen, viel getanzt und plausibel gemacht, wie die Story wohl heute aussehen könnte. Dabei wurde an politischen und medialen Andeutungen sowie Ausdrücken der heutigen Computerwelt nicht gespart. Gleich zu Beginn brach die Moderne in Sparta ein, eine mit Handys und Sticks ausgerüstete Touristengruppe, die Selfies machte und Likes verteilte. In einer anderen Szene war im Hintergrund eine Demo mit Schildern wie „Barbie war gestern“ oder „gegen Sexismus“ zu erkennen. Eine Quiz-Show unter den Königen wurde wunderbar persifliert und vom Schäfer alias Paris gewonnen, mit dem von Agamemnon gesetzten Fazit: „Was wir brauchen, sind Männer, die auch noch denken“. Und, und, und… so ging es Schlag auf Schlag.

Emilie Renard/Tanzensemble

Die Titelrolle war der Deutsch-Mexikanerin Isabel Stüber Malagamba anvertraut, die mit voll timbriertem Mezzo, lockeren Koloraturen und viel Spielwitz erfreute. Dazu sah sie noch umwerfend aus, so dass man ihr die „schönste Frau der Welt“ sofort abnahm. Herrlich, wie sie anstelle eines Rendez-vous auf ihrem Traum beharrte oder von Ehetreue sprach, während Miene und Körpersprache ganz anderes sagen! Den ihr langweilig gewordenen Ehemann Menelaos füllte Manfred Wulfert gut aus; Lamentieren und Empörtsein über den Ehebruch kamen gleichermaßen gut rüber. Ein Höhepunkt war sein Terzett im 3.Akt mit Agamemnon und Kalchas, die ihm gute Ratschläge für die Zukunft seiner Ehe und Spartas erteilten. Der Amerikaner Benjamin Lee ließ als agiler Paris seinen schönen, klaren Tenor blühen, der sich auch vor Jodlern im Schlussbild nicht scheute. Besonders ausdrucksvoll gelang ihm das Liebesduett im Walzertakt mit Helena im 2.Akt mit geläufigen Verzierungen. Als Orest erlebte man Anglo-Französin Emilie Renard, die mit leichtem, zum Sopran tendierenden Mezzo als Punk mit „It-Girls“ (rollengerecht Jeanett Meumeister/Jenny Gerlich) und einem kreischenden Fan-Schwarm auftrat. Schon rein körperlich strahlte Johannes Stermann als Kalchas eine enorme Bühnenpräsenz aus; aber auch stimmlich verfügte er über genügend Mittel, sich in Szene zu setzen. Sein Bass grundierte das schon erwähnte Terzett im 3.Akt hervorragend. Dazu gehörte dann als Dritter im Bunde Roland Fenes als Agamemnon mit solidem Bariton und sicherem Spiel. Die beiden gekonnt dümmlich spielenden Ajaxe waren bei Jonathan Winell und Yong Hoon Cho bestens aufgehoben. Uta Zierenberg als Helenas Dienerin Bacchis ergänzte das Ensemble passend, wie auch Peter Wittig als Philokomus. Einziger Wermutstropfen: Leider konnte man die Obertitel zu den französisch gesungenen Texten wegen ungünstiger Lichtverhältnisse weitgehend nicht lesen.

Ensemble

In der Einstudierung von Martin Wagner entwickelte der Opernchor große Klangpracht, der dabei noch viele choreographische Aufgaben zu erfüllen hatte. Besonders positiv fiel der schön klingende Damenchor während der Ankleide-Szene Helenas auf.

Und dann gab es noch ein flottes Tanzensemble, für dessen äußerst lebendige Choreographie – wie für alle anderen tänzerischen Elemente – David Williams gesorgt hatte.

Last not least istmhtml:file://C:UsersMDocumentsBesprechungenOperetteMD Schöne HelenaDie schöne Helena – Theater Magdeburg.mht!https://www.theater-magdeburg.de/ensemble/philharmonie/pawel-poplawski/ Pawel Poplawski zu loben, der aus der Magdeburgischen Philharmonie sowohl schmissige Melodien wie auch schwelgerische Walzer zu locken wusste. Die Musiker hatten offensichtlich selbst großen Spaß an der Sache und begeisterten mit ihrem Spiel. Es war wirklich ein lohnender Abend.

Das Publikum dankte allen Mitwirkenden mit lange anhaltendem Applaus, der sich zu standing ovations steigerte.


Marion Eckels 20.10.2019

Bilder: © Nilz Böhme

Weitere Vorstellungen: 27.10., 10.11., 6., 20., 31.12., 5.1. und 8.2.2020