Magdeburg: „La fille mal gardée“

Besuchte Vorstellung am 12.10.2019, (Premiere am 28.09.2019)

Herrlicher Spaß

Seit zwölf Jahren arbeitet Gonzalo Galguera in Magdeburg. Er hat „sein“ Ballett-Ensemble kontinuierlich aufgebaut und die Stücke nach ihren Fähigkeiten ausgesucht und sich in dieser Spielzeit für das heitere Handlungsballett La fille mal gardée, wohl überhaupt das erste Handlungsballett, entschieden. Jean Bercher – genannt Dauberval – schrieb das Libretto ursprünglich zu Arrangements französicher Volkslieder, das 1789 in Bordeaux zur Uraufführung kam. Louis Joseph Ferdinand Hérold überarbeitete 1828 die Musik für eine neue Produktion von Jean-Pierre Aumer in Paris, während Peter Ludwig Hertel für Paul Taglionis Berliner Produktion 1864 eine ganz neue Musikfassung schrieb. Gonzalo Galguera entschied sich für die Musik von Hertel, die auch die russische Aufführungstradition prägte, und die er schon während seiner Ausbildung in Kuba kennen gelernt hatte. Dazu übernahm er einige kurze Stücke aus der Hérold-Fassung sowie von Rossini, Bizet und Riccardo Drigo (Dirigent und Ballettkomponist).

Zur Wahl dieses Ballettes äußerte sich der Ballettdirektor in einem Interview wie folgt: „Für diese Geschichte braucht es vor allem auch pantomimisches Talent…

Die besondere Schönheit dieses Stückes besteht darin, dass es die Zuschauer… ganz leicht in eine Geschichte eintauchen lässt. Es stellt keine Fragen, sondern appelliert direkt an unsere Gefühle. Man darf lachen, weinen, schmunzeln, sich vom komödiantischen Geist mitreißen lassen. Darin zeigt sich hervorragend, was ich unter Theater verstehe: die direkte Kommunikation mit dem Publikum. Und wir sind die Kulturvermittler.“ (So etwas würde man von Opernregisseuren auch gern mal hören.)

Mihael Belilov/Anastasia Gavrilenkova

Das Ballett erzählt die harmlose, aber immer noch aktuelle Geschichte eines jungen Paares, das sich gegen elterliche Planung auflehnt. Hier ist es die Bäuerin Simone, die ihre Tochter Lise mit Alain, dem Sohn des reichen Weingutbesitzers Thomas, verkuppeln will und daher versucht, sorgsam darauf zu achten, dass Lise ihren jungen Verehrer Colas nicht mehr sieht. Wie in jeder Komödie gibt es nach einigen Tricksereien des Paares jedoch ein positives Ende für alle.

Das hübsche Ambiente von Darko Petrovic gab den vier Bildern einen passenden Rahmen: Ein kleines Fachwerkhaus mit leichtem Lattenzaun und Blick in die Weite, ein Feld mit beweglichen Garben und Strohhocke für das Erntefest sowie ein mit langer, fester Mauer umschlossenes Haus im 3. und 4. Bild waren eine sehr günstige Kulisse für die vielen großen Ensembles und Tänze. Dazu hatte Stephan Stanisic besonders hübsche, dem ländlichen Stil angepasste Kostüme ausgesucht, im Hochzeitsbild in schmuckvollem Schwarz-Weiß.

Raúl Pita Caballero/Ensemble

Dem jungen Spanier Jesús Marrero Díaz war die urkomische Rolle der stattlichen Bäuerin Simone anvertraut, die sonst häufig vom Ballettdirektor selbst getanzt wird. Mimik und Gestik ließen keine Wünsche offen und sein Holzschuhtanz war einer der Höhepunkte des Abends. Eine entzückende, grazile Lise war Anastasia Gavrilenkova, die ihren Abscheu dem geplanten, ungeliebten Zukünftigen gegenüber deutlich ausdrückte. Ihr auserwählter Colas war mit Mihael Belilov ausgezeichnet besetzt. Es war ein herrlicher Spaß, den beiden bei ihren Versteckspielen und den Pas-de-deux zuzuschauen. Federleicht wirkte ihr Spitzentanz, deutlich entschiedener und erdverbundener seine Sprünge und Hebungen. Im Schluss-Divertissement zeigten sie nochmals, welche Qualität in ihnen steckt. Als hervorragender Charaktertänzer stellte sich Raúl Pita Caballero heraus, der als tollpatschiger, ständig lesender Alain mit seiner Darstellung Furore machte und schließlich damit auch Lises Freundin bezauberte. Lises Freundinnen (Tatiana Martinez/Julie Bruneau) und Freunde Colas‘ (Adrián Román Ventura/Rodrigo Aryam) waren die charmanten Unterstützer des Liebespaares.

Jesús Marrero Diaz/Anastasia Gavrilenkova/MihaelBelilov

Das gesamte Ensemble zeigte Spitzentanz auf sehr gutem Niveau und begeisterte mit viel Spielwitz. Erster Höhepunkt war natürlich der Hühnertanz mit Hahn, der wohl in keiner neueren Choreographie fehlen darf. Das war einfach toll gemacht.

Last not least hat die Magdeburgische Philharmonie unter der stringenten Stabführung von Svetoslav Borisov die Musik, u.a. viele Walzer, mit dem nötigen Schwung präsentiert und so den Tänzern ein festes Fundament gegeben.

Das sehr gut besetzte Haus feierte alle Mitwirkenden zu Recht mit reichhaltigem Applaus; es ist ein äußerst familienfreundlicher Abend, der sich anzusehen lohnt.

Fotos: © Andreas Lander

Marion Eckels 14.10.2019

Weitere Vorstellungen: 18.10., 24.11.,18. + 27.12. und im neuen Jahr