Magdeburg: „Eine Nacht in Venedig“

Besuchte Premiere am 10.02.18

Operettenkonfektion

Manchmal merkt man erst, wenn man ein Stück lange nicht gesehen hat, wie gut es eigentlich ist, so ging es mir am Theater Magdeburg mit Johann Strauß` Sohn immergrüner "Nacht in Venedig", die ich bestimmt seit einem Jahrzehnt nicht mehr auf einer Bühne erlebt hatte. Richtig war auch die Entscheidung die Fassung von Erich Wolfgang Korngold zu spielen, die im Jahre 1923 für eine wahre Renaissance des Werkes gesorgt hatte, die Orchestrierung ist schlichtweg brilliant, dazu hatte der junge Komponist einige Nummern des Originals gestrichen, andere Nummern aus dem reichhaltigen Strauß-Oeuvre zu Solonummern effektvoll umgearbeitet. Aus der kleinen Partie des Herzog von Urbino wurde so eine echte "Tauber-Partie", so der Komponist selbst. Auch als Verfechter von Originalfassungen, muß man hier eine theaterpraktische Alternative von hohem Wert anerkennen.

Als Regisseur hatte man sich den jungen Magdeburger Erik Petersen gewählt, der bislang vor allem mit Musicalinszenierungen reussieren konnte, doch Operette braucht, wie man im Laufe des Abends merkte, einen anderen Zugang. Nicht das die Inszenierung schlecht wäre, denn Petersen verrät das Werk nicht, sondern lässt es als das spielen was es ist: gehobene Unterhaltung mit genialer Musik. Er begibt sich mit sehr viel Liebe in ein detailreiches Venedig-Bild, versäumt trotzdem ein wenig das Wesentliche. Operette will zwar nicht wirklich ernst genommen werden, doch die Figuren sollten, wenn auch durchaus in karikierender Weise, ernst genommen werden. Was auch in der regielichen Ausformung der Musiknummern geschehen sollte, während die Dialoge ordentlich gespielt werden, schmälert manches Rampengesinge einzelne Solonummern, auch das erotische "Quiproquo" des zweiten Aktes bleibt zu sehr außen vor.

Insgesamt schnurrt die Operette jedoch in knappen zweieinhalb Stunden munter über die Bühne. Die Choreographien von Sabine Arnold unterstützen den Schwung ohne ausgefallen qualitativ zu sein. Schön gelingt die Ausstattung in ihrer Mischung aus den üblichen historischen Erwartungen und manch heutiger Zutat im Detail: Anja Lichtenegger entwarf ein pittoreskes Straßenbild mit hängender Wäsche für den ersten, den plüschigen Salon des Herzogs für den zweiten und ein verträumtes Piazza-Bild für den dritten Akt. Das der "Thron" des Herzogs im Kabinett ein Klosett ist, empfinde ich als geschmacklichen Ausrutscher. Auch Kristopher Kempfs Kostüme changieren in der bereits erwähnten Zeit-Stilistik, gefallen in ihrer Kreativität ;vor allem die phantastischen Chorkostüme des Karnevalsbildes bieten großes Augenfutter, sehr schön vor allem die Damenkostüme die ihren Trägerinnen eine "bella figura" zaubern.

Schon bei der Ouvertüre merkt man die sorgfältige Arbeit von Svetoslav Borisov mit der Magdeburgischen Philharmonie, denn kein grobschlächtiger Dreiviertelkracher, sondern ausdifferentierte Ritardandi beleuchten die Schönheiten der Musik, eine austarierte Dynamik erfreuen das Ohr des Kenners. Woran es etwas hapert ist das "Timing" zwischen Dialog und Musik, hier würde ein beherzter Einsatz den Sängern mehr Sicherheit geben. Gesungen wird auf recht hohem Niveau, als Gast hat man Ralf Simon als Herzog von Urbino gewinnen können, der mit schönen Tenorvaleurs aufhorchen lässt, ein Spiel mit Kopf-und Bruststimme und Klangnuancen zwischen Piano und nötigem sieghaften Strahl, darstellerisch allerdings sehr auf "Tenor" gepolt, würde man die Arme gerne mal etwas "festtuckern", doch manchmal rette auch eine nicht uncharmante Routine die Situation, so in dem Ninana-Quartett. Rustikaler der Caramello des Tenor Jonathan Winell, dem Barbier des Herzogs angemessen, vokal ebenso effektvoll. Julie Martin du Theil singt mit strahlendem Sopran eine blitzsaubere Annina, die gerade im ersten Akt noch etwas mehr Bodenständigkeit des resoluten Fischermädchens aus Chioggia bedarf. Ganz große Klasse als Buffopaar Koch Pappacoda und Zofe Ciboletta von Markus Liske und Katerina von Bennigsen, da sitzt vokal wie szenisch einfach alles. Peter Wittig führt als Knallcharge Senator Delaqua die vielen, wirklich gut besetzten Senatoren samt Gattinnen und anderen Figuren an. Der Magdeburger Opernchor singt und spielt anscheinend gerne Operette, das merkt man an Kompetenz und sichtbarem Spaß an den vielfältigen Aufgaben.

So hat man am Karnevalssamstag passend eine sehr ordentliche "Nacht in Venedig" in das sehr ausgewogene Magdeburger Theaterprogramm gestellt. Wenn meine Kritik vielleicht etwas nörgelig ausgefallen ist, so liegt das sicher daran, daß ich den beteiligten Künstlern noch mehr zutraue. Die eine oder andere Ecke wird sich auch in den laufenden Vorstellungen noch abschleifen, da sei halt auch eine Premierennervosität in Anschlag gebracht, denn die Seriosität, mit der in Magdeburg auch das oft verschmähte Unterhaltungstheater angegangen wird, ist deutlich spürbar.

Martin Freitag 12.2.2018

Fotos (c) Nilz Böhme