Mönchengladbach: „Die Gespräche der Karmeliterinnen“

Premiere MG: 21.05.2022, besuchte Vorstellung: 04.06.2022

Beeindruckende Ensemble-Leistung

Bereits im Januar 2019 war „Les dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc am Theater Krefeld zu sehen, die Premiere in Mönchengladbach war seinerzeit noch für den 11. April 2020 geplant. Nun fand die Übernahmepremiere vor wenigen Tagen endlich statt und auch wenn man der Pandemie nichts Gutes abgewinnen kann, so ist es doch sehr schön, eine so gelungene Inszenierung nach über drei Jahren erneut anzuschauen und sich nochmal daran erinnern zu lassen, warum man diese Aufführung seinerzeit bereits wärmstens empfohlen hat. Im Vergleich zur ursprünglichen Inszenierung wurden nur Kleinigkeiten angepasst. So wurde beispielsweise der direkte Bezug zu sechzehn Frauen, die im Verlauf der Geschichte von 1660 bis 2014 bereit waren, für ihre Überzeugung in den Tod zu gehen gestrichen. Ihre Lebensgeschichten sind auch nicht mehr vor der Vorstellung im Foyer nachzulesen. Entsprechend sind auch die in der Inszenierung vorkommenden Flugblätter nun mit einem neuen Text versehen, auf dem allgemein gefragt wird, wer überhaupt bestimmt, wer eine Märtyrerin ist. Dies sind aber nur Kleinigkeiten, die der Produktion schlussendlich sogar gut tun, da sie sich nun noch stärker auf den Karmeliter-Orden und die historischen Hintergründe fokussiert. Den Geschwistern Rebecca und Beverly Blankenship war in ihrer Inszenierung sehr daran gelegen, das Publikum ganz tief in diesen Abend „hineinzuziehen“ und so für eine noch stärkere Intensität zu sorgen. Dies gelingt sehr gut, auch durch das Bespielen der vorderen Bühne, ein Bereich der bei Operninszenierungen in der Regel für den Orchestergraben geblockt ist. Das Orchester in großer Besetzung im hinteren Bereich der Bühne untergebracht und durch einen nur leicht durchsichtigen Vorhang von den Darstellern getrennt. Auf diese Weise ist der Zuschauer noch näher am Geschehen. Verstärkt wird dieser Effekt durch Chorgesänge vom Rang . Allgemein finden die beiden Regisseurinnen immer wieder starke Bilder, die fast komplett ohne Requisiten auskommen. Bühnenbildner Christian Floeren schuf ein quadratisches Spielpodest, auf dem sich fast die gesamte Handlung abspielt und auf dem Akt für Akt eine Guillotine aus dem Boden emporsteigt. Einige Projektionen runden das schlichte, aber sehr intensive Gesamtbild ab.

Personell mussten nach drei Jahren einige Umbesetzungen vorgenommen werden, auch wenn das Theater Krefeld-Mönchengladbach seit jeher großen Wert auf ein harmonisches Ensemble legt, bei dem es nicht allzu oft zu größeren Wechseln kommt. Beeindruckend, dass nahezu alle Rollen dieser Produktion aus dem eigenen Ensemble besetzt werden können. Lediglich die Rolle der Priorin Madame de Croissy wird von Rebecca Blankenship übernommen, die damit in (anteiliger) Personalunion zur Regie auch mal wieder auf der Bühne zu sehen ist. Eine Rolle, die perfekt zu ihrem in großer Würde gealterten Sopran passt – ein echter Glücksfall für die Inszenierung. Ein weiterer Glücksgriff ist Maya Blaustein aus dem Opernstudio Niederrhein, die nun die Rolle der Schwester Constance übernommen hat. Mit klarem Sopran und sicheren Tönen verzaubert sie das Publikum, ein Name den man sich unbedingt merken sollte. Auch Sophie Witte zeigt als Blanche (wie bereits in Krefeld) einmal mehr, dass sie auch die ganz großen Rollen mit einer scheinbaren Leichtigkeit auf die Bühne bringen kann. In den weiteren Hauptrollen überzeugen Eva Maria Günschmann als Novizenmeisterin Mère Marie, Janet Bartolova als neue Priorin Madame Lidoine, David Esteban als Chevalier de La Force und Rafael Bruck in der Rolle des Vaters. Star des Abends ist hier aber das gesamte Ensemble einschließlich aller nun nicht namentlich aufgeführten Personen samt großartigem Chor, der unter der Einstudierung von Michael Preiser an diesem Abend zeigt, was in ihm steckt. Der Damenchor ist zudem auch als Orden optisch stark vertreten, während der Männerchor wie bereits erwähnt vom Rang den Zuschauerraum eindrucksvoll beschallt. In der Schlussszene, in der nach und nach eine Ordensschwester beim „Salve Regina“ verstummt, findet diese Chorleistung dann ihren emotionalen Höhepunkt. Generalmusikdirektor Mihkel Kütson dirigiert die Niederrheinischen Sinfoniker, die hier erneut beweisen, dass sie ein hervorragendes Orchester sind. Kraftvoll und intensiv, aber nie zu laut um den Darstellern genug Raum zu lassen. So wünscht man sich einen gelungenen Opernabend.

Abschließend kann nur erneut eine absolute Besuchsempfehlung ausgesprochen werden, allerdings steht das Werk nur noch zweimal auf dem Spielplan. Für die Vorstellungen am Samstag, 18.06.22 und Dienstag, 21.06.22 sind derzeit noch Eintrittskarten erhältlich.

Markus Lamers, 06.06.2022

Bilder: © Matthias Stutte