Osnabrück: „Die Vögel“, Walter Braunfels

Premiere am 21.06.2014, besuchte Aufführung: 24.06.2014

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Fatale Kriegsbegeisterung

Von den Opern des Komponisten Walter Braunfels (1882 – 1954), darunter die Werke „Prinzessin Brambilla“, „Don Gil von den grünen Hosen“, „Galatea“, „Verkündigung“ und „Der Traum ein Leben“, waren die 1920 unter der Leitung von Bruno Walter in München uraufgeführten „Vögel“ am erfolgreichsten. Über fünfzig Mal standen sie dort innerhalb von zwei Jahren auf dem Programm und wurden in rascher Folge u.a. in Berlin, Graz und Wien nachgespielt. Doch als die Nazis 1933 die Werke von Braunfels verboten, war dies offensichtlich der Todesstoß für sein künstlerisches Werk. Zwar wurden „Die Vögel“ 1948 für den Hessischen Rundfunk aufgenommen und 1971 kam die Oper in Karlsruhe, 1991 in Bremen sowie 1999 an der Volksoper Wien heraus, aber den Weg ins Repertoire hat sie nicht wirklich gefunden.

Das Osnabrücker Theater hat in dieser Spielzeit bereits mit „Vanda“ von Antonin Dvořák eine veritable Entdeckung präsentiert. Mit der Braunfels-Oper ist nun ein weiterer Coup gelungen. „Die Vögel“ ist ein musikalisch reichhaltiges und faszinierendes Werk, in seiner spätromantischen Diktion etwa an Wagner und Berlioz, ein wenig auch an Mahler und Strauss anknüpfend, mit einer farbigen, effektvollen Orchestrierung und einer trotz enger Anlehnung an Bekanntes eigenständigen, kaum epigonal zu nennenden Tonsprache. Dirigent Andreas Hotz führte die Meriten dieser Musik mit dem überwiegend klangvoll und konzentriert aufspielenden Osnabrücker Symphonieorchester nachdrücklich und überzeugend vor. Eine Rezension aus den zwanziger Jahren sprach von „symphonisch strömender Melodik von bestrickendem Wohllaut“ – und genau das wurde in der musikalischen Ausdeutung durch Andreas Hotz schon in dem bezaubernden Vorspiel nachvollziehbar.

Braunfels, der sein eigener Librettist war, hielt sich nur im ersten Teil an die Vorlage von Aristophanes, während er sich, nach eigenen Worten, im Weiteren eher von Eichendorff inspiriert fühlte. In der Tat trägt die Geschichte von Ratefreund und Hoffegut, der eine ein zynischer Pragmatiker, der andere ein träumender Idealist, durchaus auch romantische Züge. Beide jagen einer Utopie nach – doch während Ratefreund, der die Vögel zum Bau einer Stadt zwischen Himmel und Erde überredet, nur nach eigener Macht strebt und am Schluß mit leeren Händen dasteht, zieht Hoffegut aus seiner (zwar auch gescheiterten) Liebesbegegnung mit der Nachtigall Sinn und Glück für sein weiteres Leben.

Braunfels begann seine Oper 1913 und vollendete sie 1919. Dazwischen lagen die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs. Die koreanische Regisseurin Yona Kim zog die entsprechenden Parallelen. Ein goldener Vorhang, eine auch in den phantasievollen Kostümen (Hugo Holger Schneider) pittoresk gezeichnete Vogelwelt im Jugendstil markieren den Beginn. Die Nachtigall ist in einem goldenen Käfig angekettet, im Hintergrund erscheint eine Projektion von Caspar David Friedrichs „Der Wanderer über dem Nebelmeer“. Diese fast romantische Szenerie weicht kubistischen, kahlen Wänden, wenn die Vögel ihre Festung gebaut haben (Bühne von Evi Wiedemann). Fahnen und Schärpen und die schauerlichen Rufe „Krieg! Krieg! Krieg“ der Vögel, die inzwischen Pickelhauben tragen, deuten auf den verhängnisvollen Verlauf. Die fatale Kriegsbegeisterung der von Ratefreund aufgestachelten Vögel wurde von der Regisseurin beklemmend umgesetzt. Dazu gibt es sinnvolle, nie übertriebene Videoprojektion von Szenen aus dem Krieg, zumeist Flugzeuge und Luftangriffe. Schließlich geht es ja um die „Vögel“. Der warnende Adler (Genadijus Bergorulko) wird brutal niedergeprügelt. Auch die Mahnungen des Prometheus, der wie eine Mischung aus Jesus und Jochanaan erscheint, bleiben ungehört. Johannes Schwärsky hatte mit erzenem, wuchtig geführtem Bariton in dieser Szene einen ungemein starken Auftritt. Wenn der Zorn des Göttervaters Zeus in Form eines alles vernichtenden Gewitters (mit einer großartig realisierten Sturmmusik) über die Vögel hereinbricht, entzieht sich der Wiedehopf (sehr prägnant: David Moon), der König der Vögel, durch Selbstmord der Verantwortung. Am Ende, wieder in der Menschenwelt, gibt es eine Art Dorffest mit blondgezopften, „germanischen“ Mädels, die man unschwer als Zaunschlüpfer, Drossel und Nachtigall aus der Vogelwelt wiedererkennt.

Die ungemein schwierige Koloraturpartie der Nachtigall wurde von Marie-Christine Haase bravourös gemeistert. Auch wenn sich in ihren Stimmklang mitunter kleine Schärfen einschlichen, erklomm sie die extremen Höhen relativ mühelos. Ihre Leistung wurde zu Recht bejubelt. Alexander Spemann war für die ins Heldentenorale weisende Partie des Hoffegut eine adäquate Besetzung. Eindringlich gestalteten beide die zentrale Szene der Oper, das sehr lange Duett zu Beginn des 2. Aktes. Erst im Schlussmonolog kam Spemann an seine Grenzen und musste etwas forcieren. Heikki Kilpeläinen war mit markantem Bariton der Ratefreund, Susann Vent der Zaunschlüpfer, Almerija Delic die Drossel und Tadeusz Jedras der Rabe.

Ein Sonderlob gebührt dem von Markus Lafleur einstudierten Chor, der die machtvollen, gewaltigen Chortableaus inbrünstig und klangvoll realisierte. Insgesamt ist Osnabrück eine Produktion gelungen, die überregionale Beachtung verdient.

Wolfgang Denker, 25.06.2014

Fotos von Jörg Landsberg

Offizielle Webside Walter Braunfels