Budapest: „Der fliegende Holländer“

Budapest/Palast der Künste (MÜPA)

Premiere am 20. Juni 2015

Holländer für zu leicht befunden…

Wieder einmal hat das „Opera Festival 2015 – Wagner in Budapest“ unter der künstlerischen Leitung von Ádám Fischer gezeigt, was möglich ist, wenn man lediglich „halbszenisch“ arbeitet. Regisseur Balázs Kovalik stellte mit seinem Bühnenbildner Péter Horgas und Kostümbildnerin Mari Benedek einen „Holländer“ auf die große Bühne des Béla Bartok Musiksaales, der zeitweise unter die Haut ging und szenisch intensiver wirkte also so manch andere Produktion, die sich dieses Titels rühmt, inklusive jener von Philipp Gloger in Bayreuth.

Mit einer exzellenten und stark auf die individuellen Schicksale der Protagonisten abstellenden Personenregie findet die Aktion im Wesentlichen auf einem dreieckigen hellen Holzgerüst statt. Es wirkt wie ein umgedrehter Schiffsbug und suggeriert andererseits die Wanten eines Segelschiffes, auf denen natürlich emsig herumgeklettert wird. Bei Kovalik klammert sich Senta wie besessen an eine alte Schellack-Platte vom „Fliegenden Holländer“ – man erkennt auf dem Cover eine Edition des Chicago Symphony Orchesters in einer Produktion von Decca – und sie wartet offenbar äußerst gespannt auf den Titelhelden. Wenn der nun endlich ankommt, als heutiger Reisender mit kleinem Bord-Trolley, Trenchcoat und rotem Schal und sich gemütlich in einen Ledersessel setzt, macht sich trotz erster Begeisterung bei Senta schließlich Ernüchterung breit. Zudem kann der Holländer am Schluss als Erkennungsstück lediglich den berühmten schwarzen Hut mit weiter Krempe und Feder des Ahasvers aus dem Trolley ziehen. Man konnte diesen Hut bis zum Abwinken schon zuvor auf einem Video des Applauses eines Holländer-Darstellers sehen (Bryn Terfel?). So gibt es auch bei Kovalik keine Erlösung. Stattdessen legt Senta erneut die Platte auf und wartet wohl auf einen anderen Opernhelden, der ihrer „Treue bis zum Tod“ würdiger erscheint…

Die junge Schwedin Elisabet Strid singt und spielt eine fulminante Senta und gestaltet die Ballade sängerisch eindringlich. Mit den so schwierigen Spitzentönen hat sie nicht das geringste Problem. James Rutherford ist ein allzu netter und biederer Holländer, möglicherweise von der Regie so gewollt. Er singt die Rolle mit seinem sehr kultivierten Heldenbariton. Sein Trolley erinnert allerdings an jenen der derzeitigen Bayreuther Inszenierung. Auf jeden Fall ist Rutherford nicht der harte, leidgeprüfte Ahasver, den sich Senta wohl von der Schallplatte her erwartet hatte. Peter Rose ist momentan wohl einer der besten Sänger des Daland mit seiner beeindruckenden Stimmkraft und Gestaltung. Bernadett Wiedemann singt mit ihrem schönen Mezzo eine klangvolle Mary, die sich scheinbar etwas in den Holländer verliebt hat. Zoltán Nyári ist ein schlagkräftiger Erik mit leicht heldischem Aplomb seines kräftigen Tenors, drückt allerdings zu sehr auf die Stimme. Uwe Strickert singt den Steuermann mir lyrischer Note, macht sich aber, statt aufzupassen, über das Mädel her, das er allerdings erst mit der Wirkung des Südwinds und erfolgtem Landgang erotisch beglücken sollte.

Ádám Fischer gestaltete mit dem Ungarischen Radio-Symphonieorchester die Handlung musikalisch eindrucksvoll mit viel Verve, aber auch gelungener Feinzeichnung in den relevanten Momenten. Die hervorragende Akustik des großen Béla Bartok Saales unterstützte eindruckvoll die erstklassige musikalische Seite dieses „Fliegenden Holländer“.

Der Chor des Ungarischen Radio-Symphonieorchesters (Chorleiter: Zoltán Pad) und der Ungarische Nationalchor (Chorleiter: Mátyás Antal) waren mit ihrem Niveau schlicht mit dem Bayreuther Festspielchor vergleichbar. Die Szene des musikalischen Kampfes der Matrosen des Holländers mit den feiernden Norwegern gehörte zu den theatralisch stärksten Momenten des Abends. Hier vergaß man völlig, dass diese Produktion eine „halbszenische“ sein sollte…

Zwei weitere Aufführungen am 22. und 24. Juni 2015.

Klaus Billand 22.5.2014

Fotos: Zsófi Pályi