Wien: „Junge Talente“

Première „Junge Talente des Wiener Staatsballetts II

Mit der neuen, vielseitigen Première für den tänzerischen Nachwuchs hat Ballettdirektor Manuel Legris ein ansprechendes, dankbares Programm zusammengestellt. Gleich bei der ersten Nummer (Ausschnitte aus der „Fledermaus“ von Roland Petit) wird dem Zuschauer klar, auf welchem hohen Niveau die jungen Künstler arbeiten (wir sprechen hier von Tänzern zwischen 16 und Mitte 20!). Die Technik steht bei dieser Vorstellung eindeutig im Vordergrund, oftmals gibt es Zwischenapplaus für Fouettés, Sprünge, oder weitere technische Besonderheiten, aber es ist auch erfreulich zu sehen, dass die jungen Tänzer sehr wohl eine Persönlichkeit haben und in den verschiedenen Tanzstilen mehr als zurecht kommen.

Zwischen den Nummern wird jeweils ein kurzes Video (Delbeau Film) eingeblendet, welches das folgende Stück, den Choreographen und die Tänzer präsentiert – eine sehr gute Idee, um den Bühnenarbeitern einen reibungslosen Umbau zu ermöglichen, und der Zuschauer muss nicht im Dunkeln die Buchstaben aus dem Programm zusammenklauben. Eine ältere Dame aus dem Publikum kann sich ein „Fesch, die Herren“ nicht verkneifen.

Schwungvoll wird die Gala eröffnet: als „Fledermaus“ – Kellner springen Marian Furnica, Tristan Ridel und Géraud Wielick um die Wette, Jacopo Tissi brilliert als Johann – tosender Applaus. James Stephens zeigt sein Können als Csardas-Solotänzer mit den eleganten Damen Vanessza Czonka, Sveva Gargiulo, Hannah Kickert, Laura Nistor, Alaia Rogers-Maman und Iulia Tcaciuc. Aus Marius Petipas „Le Corsaire“ war anschliessend der diffizile Pas des Odalisques mit Chloë Réveillon, Elena Bottaro und Adele Fiocchi zu sehen, wobei besonders Réveillon durch Anmut bezauberte.

Dass die jungen Talente auch auf choreographischer Ebene aussagekräftig sind, beweist Attila Bako im folgenden Stück „The Fall“, welches bereits im Rahmen der „Jungen Choreographen 14“ für den Ballettclub des Wiener Staatsballetts uraufgeführt wurde. Im Hintergrund ist erst die Zahl 1 eingeblendet – dies steht für den ersten Menschen Adam (Zsolt Török) – und „aus 1 mach 2“, als Eva (Clara Soley) auftritt. Tristan Ridel tanzt Gott, und während sich ein geschmeidiges Solo mit dem nächsten Pas de deux und Pas de trois abwechseln, rasen die Zahlen immer schneller, bis sie bei etwa 7,2 Milliarden angekommen sind – die aktuelle Anzahl Menschen im Jahr 2015.

Aus Maurice Béjarts „Arepo“ (die UA tanzte übrigens Legris) folgte dann der Pas de deux und das Solo mit einer hervorragenden Maria Tolstunova – welche bereits vor einigen Jahren als kleine Clara im „Nussknacker“ auf sich aufmerksam machte, heute ist sie auf dem besten Weg, in die Fussstapfen von der „grossen“ Premièren-Clara (Aliya Tanikpaeva, heute Principal Dancer in Budapest) zu treten. Kongenial ihr Partner Leonardo Basilio. In der Solovariation überzeugt Jakob Feyferlik.

Auch John Neumeier ist bei der Ballettgala vertreten, mit „Spring and Fall“ (Ausschnitt I und IV) ist ein lyrischer Pas de deux getanzt von Anita Manolova und Greig Matthews zu sehen, sowie ein starker Pas de trois mit Greig Matthews, Francesco Costa und Géraud Wielick, die den technischen Ansprüchen sehr wohl standhalten können.

Grossen Anklang fand auch die „Tarantella“ (George Balanchine), getanzt von Nikisha Fogo und Trevor Hayden und einem brillanten Klaviersolo (Chie Ishimoto)

Dass Trevor Hayden auch ein wirklich begnadeter Choreograph ist, zeigt das folgende Stück „Double Date“. Diese grenzgenialen Einfälle kann man nicht mehr in Worte fassen, das muss man gesehen haben! Köstlich, die Kombination mit Händen und Film, man fühlt sich in die 1920er Jahre zurück versetzt, dazu eine schlichtweg hervorragende (und reife) Leistung von den Tänzern Gala Jovanovic, Chloë Réveillon, Keisuke Nejime und Ryan Booth. In diesem Stück wird deutlich, dass die jungen Tänzer nicht nur technisch, sondern vor allem auch darstellerisch in der Ersten Liga spielen. Das Publikum amüsiert sich prächtig, tosender Applaus für die Tänzer und den Choreographen, von dem man hoffentlich noch viele weitere Stücke sehen wird.

Nach der Pause gibt es ein weiteres äusserst diffiziles Stück von George Balanchine: den „Valse Fantaisie“. Lieblich schweben Vanessza Csonka, Hannah Kickert, Laura Nistor und Alaia Rogers-Maman herein, und dann kommt sie, der eigentliche Star des Abends: Natascha Mair. Bei dieser jungen Tänzerin stimmt einfach alles; der souveräne Auftritt, die Leichtigkeit, mit der sie allen technischen Anforderungen gerecht wird, die grazile Art jeder Bewegung und die pure Freude am Tanzen zu vermitteln. In Jakob Feyferlik hat sie einen verlässlichen, eleganten Partner, mit dem sie sehr gut harmoniert.

In „Creatures“ – eine Neufassung von Patrick de Bana – zeigen Nikisha Fogo, Géraud Wielick, Francesco Costa und Marian Furnica eine atemberaubende Kondition in hauptsächlich hektischen Bewegungen, kongenial dazu die Hosenröcke (Kostüme: Stephanie Bäuerle).

Im anschliessenden Pas de deux aus „La Fille mal gardée“ (Choreographie Joseph Lazzini) spielt das Orchester der Wiener Volksoper auffallend gut (Dirigent: Wolfram-Maria Märtig) und man fühlt sich schon allein durch die idyllische Musik aufs Land entführt. Nina Tonoli tanzt die Lise sehr keck und souverän, James Stephens als Colas ergänzt sie optimal.

„Les Bourgeois“ von Ben van Cauwenbergh darf bei einem solchen Gala Programm natürlich auch nicht fehlen – und Francesco Costa zeigt, dass er noch höher springen kann, als Daniil Simkin bei seinem umjubelten Volksoperndebüt, und auch den Witz des Stücks vermittelt.

Ein weiteres Stück von Roland Petit „Proust ou les Intermittences du Coeur“ wurde ausdrucksstark von Jacopo Tissi und Zsolt Török getanzt, bevor ein brillanter „Grand Pas Classique“ (Choreographie Victor Gvovsky) den fulminanten Abend abschloss. Und dieser ist mit der fabelhaften Prisca Zeisel eine Augenweide. Als Partner etwas unsicher, dafür in der Solovariation makellos: Leonardo Basilio. Mit Zeisel hat das Staatsballett eine phantastische Wiener Ballerina, die mit ihrer glänzenden Bühnenpräsenz den Raum füllt.

Frenetischer Jubel für alle Beteiligten, Manuel Legris strahlt beim Applaus, Daumen hoch, der Direktor ist offensichtlich zufrieden mit seinen jungen Talenten, die an diesem Abend bewiesen haben, dass das Wiener Staatsballett ganz klar international auf allerhöchstem Niveau tanzt.

Folgevorstellungen: 9. und 17. Juni 2015, sowie in der Saison 2015/16

Katharina Gebauer 6.6.15

Bilder Volksoper