Heldritt: „Im weißen Rössl“, Ralph Benatzky

Auch in diesem Jahr wieder mit 50 Freunden nach Heldritt, in froher Erwartung, denn es steht das „Im weißen Rössl“ auf dem Spielplan. Nach den Jahren der Einschränkungen, vor allem durch Corona und dadurch kleinerer Stücke mit weniger Aufwand, nun ein richtiges Orchester, ein toller Chor, eine zünftige Blasmusik, Operettenherz, was willst Du mehr. Und, das freut mich ganz besonders, am heutigen Tag eine praktisch komplett ausverkaufte Vorstellung. So macht es Spaß zu spielen, das Publikum, durch die Jahre der Enthaltsamkeit, wieder in der Operettenseligkeit angekommen – und wie. Und das Publikum lässt die Verantwortlichen spüren, wie sehr sie sich danach gesehnt haben. Riesiger Zwischenapplaus, kaum endender Schlussapplaus, so macht es wieder Freude, für sein Publikum da zu sein und alles, was man hat, zu geben, sein ganzes Herzblut in die Aufführung zu legen – und das ist mehr als gelungen. Ein Jubiläum zum Fünfjährigen, welches alle glücklich macht, die Verantwortlichen der Sommeroperette Heldritt wie auch das mehr als begeisterte Publikum.

Ich habe das „Weiße Rössl“ schon sehr oft gesehen, es gehört sicher zu den beliebtesten Operetten, die bei uns aufgeführt werden. Die Regisseurin Rita-Lucia Schneider, die gleichzeitig auch in die Rolle der Rössl Wirtin schlüpft, hat die ganze Geschichte in die Neuzeit verlegt. Viel hat sich dadurch nicht geändert, man kann es sicher so machen, muss es aber nicht unbedingt. Jedenfalls ist die Umsetzung recht stimmig und gibt die bekannte Geschichte nachvollziehbar wieder. Einzig bei der Rolle des Sigismund Sülzheimer und seines Klärchens, ist man aus meiner Sicht etwas über das Ziel hinausgeschossen. Zu amerikanisiert, statt der Glatze einen blauen Irokesenschnitt, dem Pferd etwas zu viel Zucker gegeben, das ist für mich persönlich etwas grenzwertig. Aber ich gebe zu, dem Publikum gefällt es, der Applaus ist mehr als stark und das Publikum muss zufrieden sein, nicht der Rezensent. Das ist für mich persönlich aber tatsächlich auch der einzige Wermutstropfen in einer mehr als gelungenen Inszenierung. Was mich hier in Heldritt jedes Jahr aufs Neue beeindruckt, ist der einfach sensationelle Einsatz jedes einzelnen Beteiligten. Hier hilft jeder jedem, jeder packt zu, ob Darsteller oder Helfer, dies ist einfach ein Markenzeichen von Heldritt und ein Pfund, mit dem es sich mehr als wuchern lässt. Jeder freut sich dabei zu sein, niemand schaut auf die geleisteten Arbeitsstunden, jeder freut sich, wenn der Erfolg durch den Besuch und den Applaus zu Tage tritt. Und das ist an diesem Tag mehr als zu erkennen.

Vor der Vorstellung sind es erneut die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Vereine aus Heldritt, wie z.B. die Feuerwehr, der Obst- und Gartenbauverein, der Gesangsverein, der Heimatverein Heldritt und andere, die vor dem Beginn der Vorstellung und während der Pause die köstlichen Coburger Bratwürste, Kaiserschmarrn, Brötla, belegt mit den unterschiedlichsten Köstlichkeiten, und Getränke aller Art anbieten und das in einer Reichhaltigkeit, dass man gar nicht weiß, was man zuerst zu sich nehmen soll. Fast könnte man von einem Familienfest sprechen, wir jedenfalls haben mehr als gerne die kulinarischen Angebote zu uns genommen und für einige Zeit vergessen, dass man sich doch beim Essen und Trinken immer etwas zurückhalten soll. In einer solchen Atmosphäre – und dies ist sicher auch ein Teil der Erfolgsgeschichte Heldritts – vergisst man gerne einmal alle guten Vorsätze. In diesem Zusammenhang auch einmal ein ganz herzliches Dankeschön an alle die fleißigen Helfer, ohne die so etwas nicht auf die Beine zu stellen wäre und die teilweise sogar ihren Urlaub für dieses Ereignis geopfert haben.

Rita Lucia Schneider – Harald Wurmsdobler / © Friedhelm Wölfert, Heldritt

Friedhelm Wölfert hat die technische Leitung und ist verantwortlich für den Bühnenbildaufbau. Was er und sein Team hier seit Jahren leisten ist einfach nur toll, unzählige Arbeitsstunden, ein unbändiger Einsatz und dies ist alles ist nur dann zu schultern, wenn man sich einfach mit der ganzen Produktion bis ins letzte verbunden fühlt. Wenn man sich dann gemeinsam über den Erfolg seiner Arbeit freuen kann, wenn man die glücklichen, strahlenden Gesichter der Besucher erlebt. Dann vergisst man – wenigstens zum Teil – die gewaltige Arbeit und die Anstrengung, die hinter dem perfekten Gelingen einer solchen Operettenaufführung, mit allem, was dazugehört, liegt. Man verzeihe mir, dass ich ein paar Worte mehr dazu gefunden habe, aber man kann diese Arbeit nicht oft genug würdigen.

Die Maske liegt in den Händen von Alexandra Siller und Denise Lichtblau und sie haben erstaunliches geleistet und dafür, dass Heldritt nicht die Mittel wie die Wiener Staatsoper besitzt das beste herausgeholt. Das hervorragende Bühnenbild, welches stimmig und passend auf die Bretter, die die Welt bedeuten, gezaubert wird, hat Tobias Engelhardt entworfen, er ist auch für das Grafik & Produktionsdesign verantwortlich, außerdem spielt er im Stück den schönen Sigismund. Für das Kostümbild zeichnet Julia Domke verantwortlich, die auch in die Rolle der Ottilie schlüpft. Tanja Morgenroth ist auch in diesem Jahr wieder zuständig für die Ankleide und die Schneiderei und hat wiederum einfach eine tolle Arbeit gemacht. Florian Hornung, auch er ein alter Hase auf dem Gebiet, spielt ohne jegliche Probleme mit dem Licht und dem Ton und sorgt dafür, dass alles einwandfrei zu hören und zu sehen ist. Die Choreographie liegt diesmal in den Händen von Daniel Címpean und er liefert eine einwandfreie Arbeit ab. Endlich gibt es auch wieder einen Chor (mit 11 Personen), der unter der Einstudierung von Stefan Meier, ausgezeichnet agiert. Es macht einfach nur Spaß, wieder dieses i-Tüpfelchen in Heldritt dabei zu haben. Wie bereits angesprochen, liegt die Regie in den bewährten Händen von Rita Lucia Schneider, die Regie-Assistenz hat erneut Dominique Dietel, die in diesem Jahr auch auf der Bühne steht und die Rolle des Klärchens übernommen hat. Nicht zu vergessen auch der Auftritt von Teilen des Musikvereins Stadt Rödental e.V. die den Kaisermarsch mehr als zünftig begleiten und ebenfalls viel Applaus ernten.

Niemand anderes als der in Nürnberg geborene Reinhard Schmidt, hat die musikalische Leitung der Operette. Man merkt ihm förmlich an, wie froh er ist, endlich wieder ein kleines Orchester dirigieren zu können (es zählt ganze 15 Musiker) und er tut dies mit unbändiger Leidenschaft. Er ist der Fels in der Brandung, ein Urgestein der Heldritter Operette, eine Institution. Zupackend, feurig und alle musikalischen Feinheiten auskostend, wie eh und je bringt er seine Orchestermitglieder zu Höchstleistungen. Temperamentvoll und zupackend führt er sie durch die Wogen der herrlichen Musik von Ralph Benatzky mit musikalischen Einlagen von Robert Stolz, Bruno Granichstaedten und Robert Gilbert, der auch die Liedtexte schrieb. Gefühlvoll nimmt er auf seine Sänger Rücksicht, wenn die Wogen über ihnen zusammenzuschlagen drohen, und nimmt sie entsprechend zurück. Eine, wie immer, hervorragende Leistung und dies trifft auch auf jeden einzelnen seiner Musiker zu.

Michael Mrosek – Harald Wurmsdobler – Claus J. Frankl – Julia Domke / © Friedhelm Wölfert, Heldritt

Die Geschichte des „Weißen Rössls“ ist schnell erzählt. Zahlkellner Leopold ist unsterblich in die Rösslwirtin Josepha verliebt, die seine Liebe jedoch nicht erwidert, da sie glaubt, dass ihr Stammgast Dr. Siedler ihr zugetan ist. Dieser jedoch verliebt sich bei seinem Aufenthalt in die Tochter eines Berliner Fabrikanten und diese sich in ihn. Siegismund Sülzheimer, der schöne Sigismund macht der Tochter Klärchen den Hof, deren Vater gerne Urlaub macht, aber nur alle paar Jahre, da das das Geld sonst nicht reicht. Der Kaiser besucht das Rössl und die Situation eskaliert, der Kaiser in seiner Güte, vermittelt. Am Ende sind Leopold und Josepha, Dr. Siedler und Ottilie sowie Sigismund und Klärchen jeweils ein Paar und alles ist gut, wie das in einer guten Operette zu sein hat. Der Dichter Robert Gilbert, der gleichzeitig den Kaiser spielt, ist in dieser Inszenierung eine eingeschobene Figur, der, wenn man so will, auch etwas durch das Geschehen führt.

Der aus Münzkirchen in Oberösterreich stammende Harald Wurmsdobler ist der Intendant und der künstlerische Leiter der Sommeroperette Heldritt, daneben ist er in der Rolle des Zahlkellners Leopold zu erleben. Er ist auch der Vorsitzende der Coburger Operettenfreunde e.V., die sich über jeden Beitritt zum Verein sehr freuen würden. Und Harald Wurmsdobler spielt die Rolle des unglücklich Verliebten nicht nur, er verkörpert die Rolle einfach mehr als rollendeckend. Hier hat er eine Paraderolle gefunden, die er mit seinem leichten, schlanken und warmen Tenor bis ins Letzte ausfüllt. Er lässt bei seiner Darstellung alle Facetten der Rolle aufblitzen und punktet natürlich auch mit leidenschaftlichem Spiel. Für mich, der schon viele Aufführungen gesehen hat, ist er einfach nur die Idealverkörperung des Leopold.  Die in Wien geborene Rita Lucia Schneider bringt die Rösslwirtin mit wohlklingendem, vollerblühtem, warmem und auch zur Leidenschaft fähigen Mezzosopran zu Gehör und die beiden ergänzen sich wunderbar. Auch bei ihr ist das schauspielerische Talent erheblich, und beide sind, wenn man so will ein Traumpaar auf der Bühne, dass sich ja schließlich letztendlich dann auch findet. Tosender Beifall für beide Protagonisten.

Julia Domke – Martin Fösel – Rita Lucia Schneider – Musikverein Stadt Rödental e.V. / © Friedhelm Wölfert, Heldritt

Als Wilhelm Giesecke, einem Berliner Fabrikant, erleben wir den in Wilhelmshaven geborenen Bariton Michel Mrosek. Darstellerisch wie immer mehr als überzeugend dabei und stimmlich präsent, mit vollmundigem und klarem sicherem Bariton versehen, eine mehr als positive Darstellung. Mit Dr. Siedler seilt er sich gemeinsam durch den gesamten Zuschauerraum ab – für das vollbesetzte Haus ein überraschender Gag, der mit viel Beifall aufgenommen wird. Seine Tochter Ottilie wird von der in Reichenbach im Vogtland geborenen Sopranistin Julia Domke hervorragend verkörpert. Mit weichem ausdrucksstarkem Sopran, quirlig und in ausgesprochener Spiellaune, ebenso wie tollen tänzerischen Einlagen, kann sie das Publikum voll für sich gewinnen, welches ihre Leistung mit starkem Applaus honoriert. So wie der ganze Nachmittag immer wieder von spontanem Applaus für die Künstler unterbrochen wird. Als Dr. Otto Siedler erleben wir den in Bamberg geborenen Tenor Martin Fösel. Er besitzt einen klaren, schönen, weichen und geläufigen Tenor, den er voller Glanz, mit Schmelz versehen und gefühlvoll einsetzt. Dies ist dann auch besonders bei den Duetten mit Ottilie zu erleben. Beide sind gut aufeinander eingestimmt und bieten eine sehr gute Leistung, die ebenfalls mit viel Applaus bedacht wird.

Als Prof. Dr. Hinzelmann, ist der in Coburg geborene Unternehmer, Kommunalpolitiker und Hobbykünstler Rainer Möbus zu erleben. Er hat schon öfter als leidenschaftlicher Theaterliebhaber auf der Waldbühne gespielt, diesmal singt er auch. Er verkörpert den Urlauber aus Leidenschaft leidenschaftlich und mehr als rollendeckend. Eine tolle Leistung von ihm, die auch vom Publikum stark honoriert wird. Als sein Töchterchen Klärchen können wir die junge Mezzosopranistin Dominique Dietel erleben. Seit vielen Jahren ist sie bereits beim Theater dabei, in erster Linie als Regie- Assistentin, wie auch in diesem Jahr. Sie spielt das Punkermädchen mit vollem Einsatz, darstellerisch völlig überzeugend und mit schöner, zarter Mezzosopranstimme. Von der Stimmkraft her muss sie jedoch versuchen noch etwas zuzulegen. Sonst eine sehr gute Leistung. Mit dem von mir mehr als hochgeschätzten Tobias Engelhardt, habe ich diesmal ein kleines Problem, welches ich schon am Beginn meiner Rezension niedergeschrieben habe. Der in Coburg geborene und aufgewachsene Tobias Engelhardt steht seit frühester Jugend auf der Bühne in Heldritt und durch seine Adern fließt Theaterblut. Wie oft hat er uns mit mehr als tollen Leistungen begeistert. Das ich diesmal Probleme habe, liegt an der Gestaltung der Rolle. Aber das sagt gar nichts, das Publikum ist begeistert, Riesenapplaus, viel Gelächter, der schöne Sigismund kommt, ebenso wie sein Klärchen, mehr als gut an. Und das ist die Hauptsache, dem Publikum muss es gefallen.

Als Piccolo ist der in Wien geborene Schauspieler, Sprecher und Theaterpädagoge Simon Schober zu erleben. Und er kostet seine Rolle weidlich aus. Immer präsent, immer aktiv, immer im Schwung, immer raumfüllend (Theaterbodenfüllend). Er macht aus der Rolle ein kleines Paradestück und wird dafür ebenfalls sehr vom Publikum hofiert.

Zusätzlich und neu in die Operette geschrieben ist die Rolle des Robert Gilbert, dem Textdichter des Weißen Rössl. Er wird von dem in Bayreuth geborenen Claus J. Frankl dargestellt. Claus J. Frankl ist Schauspieler, Regisseur, Sänger und Autor, einfach ein Allroundtalent, eine Wunderwaffe der Operette. Seit über 10 Jahren ist er mit der Pramtaler Sommeroperette verbunden, aus Heldritt ist er ebenfalls nicht mehr wegzudenken und sehr oft in Erscheinung getreten. Und all seine Auftritte sind nur positiv im Gedächtnis verhaftet. Er informiert, fabuliert, schreibt und ist eine Art roter Faden durch das „Weiße Rössl“. Er gehört praktisch schon zum Inventar von Heldritt und begeistert mit seiner Rollendarstellung auch diesmal wieder sein Publikum. Viel Applaus auch für ihn.

Schlussaplaus Ensemble / © Friedhelm Wölfert, Heldritt

Am Schluss der Aufführung nicht enden wollender Applaus für eine tolle Aufführung, die einfach nur Lust auf das nächste Jahr macht. Die Erfolge werden sich herumsprechen, und das Wörtchen „Ausverkauft“ wird in der Zukunft sicher noch oft über der Sommeroperette Heldritt stehen. Fröhlich, zufrieden, aufgekratzt und die wundervollen Melodien noch lange mitsummend fährt man nach Hause. Operettenherz, was willst du mehr!

Manfred Drescher, 20. August 2023


Im weißen Rössl
Operette von Ralph Benatzky
(Musikalische Einlagen von Robert Stolz, Bruno Granichstaedten, Robert Gilbert)

Premiere: 10. August 2023
Besuchte Vorstellung: 13. August 2023

Regie: Rita-Lucia Schneider
Musikalische Leitung: Reinhard Schmidt
Orchester, Chor und Ballett der Sommeroperette Heldritt