Wien: „Raymonda“

Wiener Staatsoper, 07.04.2018

Alles andere als eine gewöhnliche Repertoire-Vorstellung

Es ist unumstritten ein Qualitätsmerkmal des Wiener Staatsballetts, dass auch die 3. Besetzung in einem anspruchsvollen Werk, wie Rudolf Nurejews „Raymonda“ sehenswert ist und ein ebenbürtiges technisches Niveau bietet. Jede der Ersten Solotänzerinnen hat auf ihre Art etwas Besonderes, Einmaliges, und Nina Polakova ist jene, die vor 13 Jahren ins Corps de Ballet des Wiener Staatsballetts (damals: Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper) aufgenommen wurde, es über die Jahre durch steten Fleiss verdient bis an die Spitze der Company schaffte und mittlerweile so gut wie alle Hauptpartien des klassischen und modernen Repertoires getanzt hat.

Sobald eine Partie melancholische oder dramatische Züge hat, ist Polakova ganz in ihrem Element; während sie nicht so sehr auf das „süsse kleine Mädchen“ setzt, sondern vielmehr mit Ruhe und Selbstbewusstsein zu überzeugen weiss, was ihr auch in den technisch diffizilen Variationen sehr zugute kommt. Und dazu ist Masayu Kimoto als Jean de Brienne eine wahrhaft edle Erscheinung, überhaupt hat er sich in den vergangenen Produktionen (Giselle, Schwanensee) als Prinz bewährt: ein sicherer Partner mit nobler Zurückhaltung, wenn die Primaballerina im Vordergrund steht, in seinen Variationen stets souverän, aber auch darstellerisch aussagekräftig. Seinen ersten Jean de Brienne tanzte er wenige Tage zuvor und auf die nächsten Hauptrollen kann man sich schon freuen.

Als Abderachman war der vielseitige Eno Peci zu erleben, ein charakterstarker, flinker Tänzer mit jahrelanger „Bösewichter-Rollen“-Erfahrung.

Während die Nebenrollen Clémence, Henriette, Bernard und Béranger dramaturgisch zwar in erster Linie als fröhliche Freunde Raymondas angelegt sind, die technisch Unglaubliches leisten dürfen, so hat diese (1.) Besetzung allerdings erstklassigen Charme und man freut sich auf jede ihrer Variationen. Nikisha Fogo ist die Freude über die unermüdlichen (und weich landenden) Sprünge förmlich anzusehen – es wäre spannend, sie einmal in einer abendfüllenden klassischen Hauptrolle zu erleben, technische Grenzen scheint es bei ihr keine zu geben – Natascha Mair bezaubert elfengleich mit souveränen, sauberen Balancen (man denkt hierbei unweigerlich, was für ein hervorragendes Dornröschen sie wäre), Nachwuchstalent Scott McKenzie und der bereits routinierte Richard Szabo brillieren ebenfalls.

In den Charaktertänzen überzeugen Fiona McGee und Francesco Costa als feuriges Sarazenen-Duo, sowie Alice Firenze (mit hervorragender Fussarbeit) und Dumitru Taran als temperamentvolle Spanier, Alena Klochkova und Igor Milos als geschmeidige Ungarn, aus den Walzer-Halbsolisten fallen besonders Anita Manolova, Rikako Shibamoto und Dumitru Taran positiv auf.

Grosses Lob gilt auch dem unermüdlichen, harmonischen Corps de Ballet, das ebenfalls von der Schnelligkeit und Genauigkeit nicht verschont bleibt, nicht umsonst gilt Nurejews Version als eine der schwierigsten, wenn nicht die schwierigste…

Den grössten Applaus jedoch gab es für das Dirigat von Kevin Rhodes, der das Orchester der Wiener Staatsoper facettenreich durch die schwelgende Musik von Alexander Glasunow führt und dabei die Tänzer gekonnt begleitet.

Folgevorstellungen: 12. und 14.4.2018 mit Maria Yakovleva, Denys Cherevychko und Eno Peci

Katharina Gebauer 10.4.2018

Bilder (c) Staatsballett