Wien: „Raymonda“

Wiener Staatsballett am 03.01.2017

Hervorragende Solotänzerinnen

Es ist kein Geheimnis, dass „Raymonda“ von Rudolf Nurejew eines der technisch schwierigsten Ballette überhaupt ist, welches ausnahmslos jeden Beteiligten fordert. Und dass das Wiener Staatsballett im Stande ist, das Werk gleich mehrfach zu besetzen und auch bei Engpässen kein anderes Stück ansetzen muss.

Die Einstudierung (Wiederaufnahme war im Dezember 2016) erfolgte durch Ballettdirektor Manuel Legris und Jean Guizerix, welche übrigens beide an der Wiener Staatsoper in „Raymonda“ zu erleben waren, Legris als Jean de Brienne, Guizerix als Abderachman gemeinsam mit Nurejew.

Aufgrund einer Verletzungspause im November war Liudmila Konovalova in der Titelpartie nicht ganz so strahlend, wie man sie z.B. als Dornröschen oder Fille mal gardée kennt, so waren die ersten beiden Akte eher verhalten gespielt, hingegen der 3. Akt wieder von einer stupenden Perfektion gestaltet – Nurejews Choreographie hat nunmal seine Tücken und Schwierigkeiten – und eine Ballerina wie Konovalova schafft auch diese Partie. Robert Gabdullin ist ein souveräner Jean de Brienne, dessen Armhaltung bei den grossen Sprüngen zwar zeitweise etwas steif wirken mag, aber als Partner ist er stets sicher und seine Variationen meistert er solide.

Als sein Kontrahent Abderachman debütiert der äusserst geschmeidige und ausdrucksstarke Mihail Sosnovschi – dessen Variationen haben es auch in sich! – und verleiht der manchmal etwas langatmigen Handlung (Hochzeit im 3. Akt zieht sich aus dramaturgischer Sicht etwas in die Länge) die nötige Spannung.

Die wohl sehenswerteste Leistung des Abends allerdings boten die Solotänzerinnen Ioanna Avraam und Alice Firenze als Clémence und Henriette, beide mit einer hervorragenden Technik, in jeder Variation atemberaubend gut, Avraam vor allem mit einer herzlichen Fröhlichkeit, während Firenze den lieblichen Aspekt optimal vertrat. Als ihre Partner reüssieren Masayu Kimoto und James Stephens.

Sehr elegant ist Rebecca Horner als Gräfin Sibylle und temperamentvoll gemeinsam mit Igor Milos im ungarischen Tanz.

Im zweiten Akt überzeugen Anna Shepelyeva und Tristan Ridel im Sarazenen-Tanz, sowie der sehr energisch-souveräne Alexandru Tcacenco mit Gala Jovanovic im Spanischen Tanz.

Durch einige Krankheitsfälle im Corps de Ballet (und in Bälde steht noch ein Gastspiel mit „Le Corsaire“ an) gab es ein paar kleinere Ungenauigkeiten, nichtsdestotrotz ist es eine enorme Leistung der gesamten Company, „Raymonda“ im Repertoire zu haben.

Und mit Kevin Rhodes am Dirigentenpult hüllt das Orchester der Wiener Staatsoper das Publikum in eine angenehme Klangwolke ein, wobei besonders der virtuose Konzertmeister und das wohlklingende Englischhorn positiv auffallen.

Folgevorstellung: 8.1.2017

Katharina Gebauer 5.1.16

Bilder (c) Staatsballett