Wien: „Schwanensee“

am 1.6.2017 in der StOp

Neuer „Ideal-Prinz“

Die 233. Aufführung von Rudolf Nurejews „Schwanensee“ wurde Prof. Karl Musil (1939-2013) gewidmet, welcher jahrelang als Erster Solotänzer des Wiener Staatsopernballetts bemerkenswerte Erfolge feierte und bereits schon während seiner Tänzerkarriere als Ballettlehrer einige heute international gefeierte Ballettstars ausbildete. Einer seiner letzten Schüler – Jakob Feyferlik – war in dieser Vorstellung erstmals als Prinz Siegfried zu erleben.

Feyferlik ist ein begnadeter, junger Tänzer, der schon allein optisch dem Ideal für Prinzenrollen entspricht, und sich in seiner ersten Saison als Solotänzer (nach 3 Jahren im Corps de Ballet wurde er direkt zum Solisten befördert) in einigen Hauptpartien bewährt hat. So ist der Schwanensee-Prinz nicht seine erste Nurejew-Choreographie (bereits im Dezember war er 1. Besetzung für Jean de Brienne), aber gewiss ein krönender Abschluss für diese Saison. Gerade in der Nurejew-Choreographie ist der Prinz vielmehr als nur ein „Balance-Halter“ für die Primaballerina, sehr anspruchsvoll sind die Soli, die sowohl Schnelligkeit, als auch Stärke abverlangen. Sauber und weich landen seine Sprünge, souverän dreht er seine Pirouetten, als Partner hat er natürlich bei einer derart technisch brillanten Nina Polakova keine Mühe, so kann er auch darstellerisch auf ganzer Linie punkten, zunächst als jugendlich-stürmischer Prinz, der in Odette die grosse Liebe findet, dennoch nicht die Verwechslung mit Odile realisiert und danach umso dramatischer abstürzt. Allerdings bewahrt er stets eine edle Haltung, ohne affektiert zu wirken.

Hervorragend ist Nina Polakova sowohl als melancholisch-edle Odette, als auch als triumphierende, geradezu dämonische Odile, die technisch über jedem Zweifel erhaben ist und sehr gekonnt alle Feinheiten in den port de bras herausarbeitet. Die überaus schwierige Variation im 3. Akt mit den italienischen Fouettés zum Schluss tanzt Polakova mit einer Souveränität, die den Zuschauer erfreut. Eno Peci zeigt als Rotbart, dass man auch durch wenige, gezielte Gesten mit einem Flügelkleid Eindruck hinterlassen kann, während Oxana Kiyanenko, Jaimy van Overeem und Gabor Oberegger sehr elegant die statistisch angelegten Partien der Königin und Hofleute vertreten.

Als Gefährtinnen und Gefährten des Prinzen brillieren Natascha Mair, Nina Tonoli (welche sich unmerklich während der Vorstellung leider verletzte, weswegen zum Schlusstableau des 1. Aktes nur 1 Gefährten-Paar vor dem Corps de Ballet tanzte, Mair und Matthews lösten dies aber geschickt, dass es – wenn überhaupt – erst viel später auffiel), Greig Matthews und Dumitru Taran. Vor allem die Variationen von Mair und Tonoli wurden so grossartig getanzt, dass man gerne noch mehr gesehen hätte. Beide haben eine angenehm-lockere Art, ihre Auftritte zu geniessen und die solistischen Aufgaben in einer Perfektion und mit Persönlichkeit zu erfüllen; solche Solistinnen sprechen auch sehr für das hohe Niveau des Wiener Staatsballetts im internationalen Vergleich. Mair tanzte überdies gemeinsam mit der ebenfalls ausgezeichneten Solotänzerin Ioanna Avraam und den beiden Rollendebütantinnen Elena Bottaro und Rikako Shibamoto einen hochkarätigen Pas de quatre der vier kleinen Schwäne.

Die Charaktertänze im 3. Akt zeigen einmal mehr die brillante Vielseitigkeit des Wiener Staatsballetts, besonders positiv fällt Rebecca Horner im spanischen Tanz auf: eine Luxusbesetzung mit Esprit, welche die pure Freude am Tanz optimal zum Ausdruck bringt! Rollendebüts bei den Charaktertänzen gab es mit Rikako Shibamoto und Scott McKenzie (neapolitanischer Tanz) und Franziska Wallner-Hollinek und Marcin Dempc (polnischer Tanz), und für die verletzte Nina Tonoli sprang kurzfristig die geschmeidig-feurige Alice Firenze an der Seite von Francesco Costa ein.

Das Corps de Ballet glänzte durch Harmonie und Präzision, und auch Dirigent Alexander Ingram, welcher das Orchester der Wiener Staatsoper sicher durch Tschaikowskys herrliche Musik führte, wurde mit tosendem Applaus belohnt.

Folgevorstellungen: 4., 8. und 12.6.2017 (mit den Gastsolisten Marianela Nunez und Vadim Muntagirov/Liudmila Konovalova und Leonardo Basilio*/Maria Yakovleva und Masayu Kimoto*) *= Rollendebüt. Einen Live Stream gibt es in der Vorstellung vom 12.6.2017.

Katharina Gebauer 2.6.2018

Bilder (c) Staatsballett