Wuppertal: „Luisa Miller“, Giuseppe Verdi

Premiere: 8.12.2018, Zweitvorstellung: 14.12.2018

Luisa Killer statt Luisa Miller

Nach Magdalena Fuchsberger beim Hagener „Simon Boccanegra“ und Tatjana Gürbaca beim Essener „Freischütz“ erlebt man in Wuppertal neuerlich eine Inszenatorin, welche sich mit anarchischer Wollust auf eine Repertoireoper stürzt und sie berserkerisch zerfleischt. Die Dame hört auf den Namen Barbora Horáková Joly und hat in jungen Jahren ein Gesangsstudium genossen, eigentlich keine üble Basis für Regiearbeit im Bereich des Musiktheaters. In Wuppertal erlebt man freilich weniger Basis als Übel: Luisa Killer statt Luisa Miller.

Als erstes erblickt man kahle, weiße Wände (Bühne: Andrew Liebermann). Rückwärtig wird ein schwarzer, in den Umrissen kirchenähnlicher Raum hinzu addiert. Diese unglaubliche Farbsymbolik haut einen schon mal mächtig um. Und dann trippeln zwei artige Kinderlein auf die Szene (die Youngsters Luisa und Rodolfo) und verewigen seitlich die Worte „Amore“ und „Intrigo“. Nun weiß wohl jedermann, was da laufen wird. Auch sonst läßt Frau Horáková Joly so gut wie nichts an Bedeutungsschwere aus. Luisas Geburtstag feiert beispielsweise eine Chormeute, welche wie eine Mixtur aus Karnevalisten und Dämonen ausschaut. Abrupte, sinnentleerte Bewegungen bestimmen nicht nur diese Introduktion.

In der Folge werden Tänzer aufgeboten, die somnambul über die Bühne irren. Einige von ihnen steigen in Blechbehälter und werden mit schwarzer Farbe übergossen, die sie später an den doch ach so schönen weißen Wänden körperrollend abstreifen. Die Bedeutungsschwere dieser Vorgänge ist horrend. Zu einem erotischen Zweikampf artet die Begegnung von Rodolfo und Federica aus. Graf Walter ist ein miesepetriger Autoritätsklotz; Sebastian Campione demonstriert das angemessen verabscheuungswürdig. Vater Miller wirkt als netter Herr Papa etwas eindimensional, aber vokal überzeugt der bulgarische Bariton Anton Keremidtchiev nachhaltig.

Die genialen Einfälle von Frau Horáková Joly wären noch bis ins Unendliche hinein zu ergänzen, aber das würde Schreibüberwindung kosten. In sicherer Erwartung weiterer Fatalitäten verließ der Rezensent ohnehin die zweite Vorstellung der Verdi-Oper in der Pause. Irgendwann reißt halt der Geduldsfaden. Das gilt überdies für eine zufällig aufgegriffene Premierenkritik. „Auch wenn sich die Regieeinfälle dem Betrachter nicht immer erschließen – eines kann man Horáková Joly nicht vorwerfen: statische Personenführung und Langeweile. Die Frage, ob dies schlüssig und schön anzuschauen ist, ist ähnlich müßig wie die Diskussion um das Regietheater.“ Tiefschürfende Äußerung zu einem bedeutsamen, heiklen Thema.

Immerhin ist dem musikalischen Bereich der Wuppertaler Aufführung hohes Lob auszusprechen. Julia Jones läßt mit jedem Forteschlag, jedem Accelerando, jedem melodischen Aufschwung dem Dramatiker Verdi Gerechtigkeit widerfahren (ausgezeichnet Chor und Orchester). Das Liebespaar der Oper ist stimmig und sympathisch besetzt. Izabela Matula, am Theater Krefeld/Mönchengladbach immer wieder vorteilhaft erlebt, gibt die Luisa sängerisch untadelig. Ein wenig mag es ihrem Porträt an Jugendfrische fehlen. Die ist dafür bei Rodrigo Porras Garulos Rodolfo hinreichend vorhanden. Seine Stimme strömt lyrisch und besitzt doch einen festen Kern. Der in jeder Hinsicht attraktiven georgischen Mezzosopranistin Nana Dzidziguri (Federica) möchte man baldmöglichst wiederbegegnen. Von der Wurm-Partie des Michael Tews war aufgrund der Pausenflucht des Rezensenten nur ein beiläufiger Eindruck zu gewinnen. Aber Erinnerungen an den Sänger aus früheren Jahren lassen an eine bis zuletzt überzeugende Darbietung glauben.

Christoph Zimmermann (15.12.2018)

Bilder (c) Wuppertaler Bühnen / Jens Großmann