Wer die Geschichte vom verfluchten Seefahrer mit mindestens einem Schiff auf der Bühne und Frauen mit Spinnrädern oder etwas, was dem ähnlich sieht, erwartet, sollte diese Produktion nicht besuchen. Das ältere Ehepaar, das bei der Duisburger Premiere neben dem Rezensenten saß, war jedenfalls schwer enttäuscht und floh gleich zu Beginn des Schlussapplauses mit einem missbilligendem „Nein“ aus dem Saal. Wer neugierig ist oder sogar weiß, dass Senta nach Menge und Inhalt des Textes die eigentliche Hauptperson Richard Wagners Der Fliegende Holländer ist und Wagner wiederholt über sein Frauenbild als das aus eigenem Antrieb die Männerwelt erlösende Geschlecht geschrieben hat oder einfach nur gute Musik hören möchte, ist in Düsseldorf richtig aufgehoben, denn der ersten Rezension ist einfach nur zuzustimmen (https://deropernfreund.de/duesseldorf-deutsche-oper-am-rhein/duesseldorf-der-fliegende-hollaender-richard-wagner/).
Ergänzend und bestätigend sei gesagt, dass Regisseur Vasily Barkhatov nicht nur ein eigenes Konzept hat, sondern Text und Partitur genau kennt. Etwa wenn der Steuermann in seinem Lied im ersten Akt die Leichensäcke über die Reling wuchtet und einen davon in genau dem Augenblick, indem das Holländerschiff musikalisch den Anker fallen lässt, und die anderen in den kurzen Pausen zwischen den Strophen. Oder wenn Senta in dem jahrmarktüblichen Groschengrab, bei dem versucht werden soll, mit Hilfe eines Greifarms ein Plüschtier aus der Glasvitrine zu fischen und in genau dem Augenblick, da Erik singt „Als sich dein Arm um meinen Nacken schlang“, die Zangen des Greifers sich um einen Teddy schlingen und sie ihn Erik statt ihrer zum Schutze anvertraut. Oder ihr Mary, die von ihm geschiedene Frau Dalands (gut, das steht so nicht im Libretto) nach ihren Worten „treu bis zum Tod“ eine schallende Ohrfeige verpasst.
In den Hauptrollen war die originale Premierenbesetzung zu hören. Gabriele Scherer identifiziert sich immer mehr mit Senta und zeigt stimmlich keine Probleme, sondern leuchtet ihre Besessenheit in alle Richtungen aus. Für Hans-Peter König scheint Daland eine Lieblingspartie zu sein, so souverän gestaltet der nicht mehr ganz junge, eher gestandene Bass. James Rutherford ist kein dröhnender, trotzdem stimmlich eindrucksvoller, aber vor allem den Holländer differenziert gestaltender Sänger. Darüber hinaus ist der Steuermann von Andrés Sulbarán erfreulich, Katarzyna Kuncios Mary keine matronenhafte Figur, sondern auch stimmlich schlank, und auch Jussi Myllys macht optisch eine gute Figur, doch fehlt es ihm leider an Textverständlichkeit, denn er bemüht sich eher, seiner Leidenschaft mit vokalen Mitteln Ausdruck zu verleihen. Wuchtig tönte der Chor. Besonderes Lob gebührt den Düsseldorfer Symphonikern, die unter der Leitung von Harry Ogg sehr filigran und transparent spielten trotz relativ großer Besetzung – fünf Kontrabässe waren im Graben zu sehen -, und auch in den stürmischen Passagen Wohlklang bewahrten, ohne es an Spannung und bei Bedarf Wucht mangeln zu lassen. Insgesamt eine musikalisch hochklassige und äußerst befriedigende Aufführung.
Bernhard Stoelzel, 24. Januar 2025
Der Fliegende Holländer
Richard Wagner
Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf
Besuchte Aufführung: 23. Januar 2025
Premiere am 2. Oktober 2022 (Deutsche Oper am Rhein, Duisburg)
Inszenierung: Vasily Barkhatov
Musikalische Leitung: Harry Ogg
Düsseldorfer Symphoniker