Premiere am 10.09.16
Ansicht der Regisseurin
Das Lübecker Theater eröffnet seine Spielzeit mit Strauss`"Ariadne auf Naxos" in der Regie von Aurelia Eggers mit einer sehr eigenwilligen Lösung der Künstlerin: Im Vorspiel ist davon noch nichts zu merken, da werden die artifiziellen Anspielungen von Musik und Libretto auf zeitgenössische Weise bebildert. Ein Kubus aus verschiedenen Materialen (Bühne Andreas Wilkens) betont die Ebenen der Oper : Bühnenholz und weiße Wand, Theatervorhänge und glitzernder Flitter, Veronika Lindners Kostüme bieten dazu postmoderne Stilvielfalt, moderner Anzug neben hippem Second-Hand-Mix, die Opera Seria in übersteigerter Graecomanie. Das Zentrum liegt in der Auseinandersetzung zwischen Kunst und Mäzentum, den Mittelpunkt bildet Wioletta Hebrowska als Komponist, so aus dem Vollen gesungen hört man das selten, bis an die Grenzen der Extase lotet die Mezzosopranistin die Hymne an die Musik aus, allein das lohnt den Abend.
Mit Steffen Kubach hat man die Sprechrolle des Haushofmeisters besetzt, der Sänger macht das so vortrefflich in Diktion und Impertinenz, das er den Gegenpol bildet. Als vermittelnder Musiklehrer gibt Gerard Quinn auf ganz hohem Niveau, diese oft mit Utilitès besetzte Partie. Emma McNairy gibt ihre Visitenkarte als neues Ensemblemitglied gleich mit der schwierigen Partie der Zerbinetta ab, ein eher leichter Koloratursopran von soubrettenhaftem Zuschnitt, das Vorspiel gelingt mit artistischem Gesang und ebensolcher Gestik ganz vortrefflich, in der großen Arie der Oper kommt sie dann doch an ihre Höhengrenzen. Die Kleinpartien sind vortrefflich besetzt, besonders der substanzreiche Tenor von Daniel Jenz gefällt, aber auch Grzegorz Sobczak als Perückenmacher sticht mit kernigem Bariton hervor.
Schon am Ende des Vorspiel streift Gabriela Scherer als Ariadne den Griechenplunder ab und steht dann im geöffneten Kubus als moderne Frau, die wohl auf einer Insel die gescheiterte Beziehung zu Theseus verarbeitet auf einer Terasse, der Hintergrundprospekt könnte auch einen leicht kitschigen Ägäisprospekt einer Reiseagentur zieren. Die Sopranistin überzeugt mit satter Stimme und leichtem Höhentremolo, die Diktion ist manchmal etwas verwaschen.
Begleitet wird sie von ihren Reisegefährtinnen, Andrea Stadel, Annette Hörle und Evmorfia Metaxaki bilden ein sehr homogenes Nymphentrio voller Wohlklang. Nach allem Leiden tritt dann der Gott Bacchus wie aus einem Magritte-Bild in himbeerrotem Bademantel und Melone hinzu und versucht die Apotheose mit billigem Bühnenflitter herbeizuzwingen; Erik Fenton stemmt die durchaus prachtvollen Höhen leider im Dauerforte, lediglich in der Mittellage findet er zu differentiertem Gesang. Doch diese Apotheose wird von Ariadne nicht mehr mitvollzogen, denn sie hat sich zu Zerbinettas Ansprache schon aus dem Leben geschlichen. Da sie immer noch viel zu singen hat, wirkt diese Lösung etwas disparat. Der Umgang mit den Theatermitteln wird leider im Laufe des Abends immer beliebiger, so wollen die Buffoszenen so gar nicht zünden, der Bariton Johan Hyunbong Choi macht seine Sache als Harlekin zwar solide, das übrige Buffonistenterzett mit Manuel Günther, Taras Konoshchenko und Rafael Pauß schließen sich dabei an, doch gibt es vor allem in den Ensembles der Oper immer wieder Unstimmigkeiten.
Leichte Probleme hat Ryusuke Numajiri mit Straussens artifizieller Partitur, denn er leitet das Werk mit einem recht pastosem Strich, musikalisch bringt das eben die Ensembles aus dem Gleichgewicht, nicht wirklich schlimm, doch die bezaubernde Leichtigkeit, die gerade diese Szenen benötigen, bleiben auf der Strecke. Auch die trockene Diktion des Vorspiels wird nicht vollständig erreicht. Zum Schluss erliegt der GMD dann doch der virtuosen Berauschung des Finales, das Orchester müßte hier ein wenig in Zaum gehalten werden, die Extase ein wenig gezügelt, gerade das habe ich von der letzten "Ariadne" am Haus eben noch immer im Ohr. Das Orchester kann das, daran liegt es nicht.
Insgesamt jedoch ein guter Abend, wenngleich mich weder die Inszenierung, noch die musikalische Leitung wirklich überzeugt.
Martin Freitag 22.9.16
Fotos (c) Theater Kübeck / Jochen Quast