Wuppertal: „Hochzeit des Figaro“

Vorstellung am 13.10.2019

TRAILER

Nachdem unter der Intendanz von Berthold Schneider die Opernszene des Wuppertaler Opernhauses mit einigen, in dieser Region ungewöhnlichen, innovativen Produktionen und durchaus streitbaren Regisseuren aufgemischt wurde, freut sich nun das Publikum aller Altersklassen – wie das gut gefüllte Opernhaus zeigte– über eine der Mozart-Opern, die ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen, „Die Hochzeit des Figaro“von Wolfgang Amadeus Mozartin italienischer Sprache (mit deutschen Übertiteln) in einer Koproduktion mit der English National Opera, London (Pr.: 4.4.2019).

Das vonJoe Hill-Gibbins entwickelte Regiekonzept sieht zwei, entsprechend der Handlung angehobene oder abgesenkte Ebenen vor, was Bewegung in das Bühnengeschehen bringt. Er kommt darin ganz ohne Requisiten aus und führt die Personen zum Teil marionettenartig und stark abstrahiert, bis zur Momentaufnahme, die wie in einem plötzlich angehaltenen Film stehenbleibt. Es beginnt mit einem schmalen Gang an der Rampe mit vier Türen, vor, hinter und zwischen denen sich so einiges abspielt. Sie werden unentwegt geöffnet und geschlossen, die Akteure der Handlung, einschließlich Chor gehen, eilen, quellen heraus. Dahinter sind schlaglichtartig Neugierige, erotische Szenen usw. zu sehen, bis sich ein auch in die räumliche Tiefe gehendes Bühnenbild in besagten zwei Ebene entwickelt (Bühnenbild: Johannes Schütz).

Darüber kann man geteilter Meinung sein, denn das ist alles nicht wirklich neu. Schon seit Jahrzehnten gibt es diesen schmalen Gang mit oder ohne Türen, die abstrahierte Personenführung, die Momentaufnahmen und dergleichen. Die ganz in hellen Tönen gehaltene Bühne kann alle Farben aufnehmen.

Da kommt es darauf an, welche optischen Effekte die Kostüme bringen, die hier allerdings nicht gerade originell wirken, kaum dem Charakter der betreffenden Operngestalt entsprechen und die Akteurinnen oft nicht gerade vorteilhaft erscheinen lassen (Kostüme: Astrid Klein). Sie sind wenig attraktiv und kein „Hingucker“, ausgenommen die Brautkleider. Dass aber auch noch der Chor als viele kleine, mitunter recht nett anzusehende Bräute (und auch einige „vollschlanke“) ausstaffiert wurde, ließ kaum einen Bezug zur Handlung erkennen, außer, dass vielleicht in allen Köpfen die Hochzeit herumspukt.

Die Gräfin ist so gekleidet, dass man verstehen konnte, warum sich der Graf, der schlichter gekleidet ist als sein Diener Figaro (nun ja, der hat ja auch Hochzeit), um eine andere bemüht, die auch nicht wie eine schmucke kleine Zofe ausstaffieret ist. Unverständlich erscheint auch, warum Cherubino ausgerechnet als Pimpf erscheinen muss – in einer Zeit, in der die Problematik dieser Oper wohl kaum noch eine Rolle gespielt hat. Etwas Aktualisierung? – warum nicht, aber es sollte doch Sinn machen und nicht alles, was gerade modern ist, in eine Operninszenierung hineingepackt werden.

Musikalisch wurde die Oper wieder vom Kopf auf die Füße gestellt und Mozarts Meisterwerk seine Bedeutung zurückgegeben. Johannes Pell verstand es, das Orchester zur Höchstform zu führen und die Sängerinnen und Sänger zu inspirieren. Jessica Muirhead rührte als Gräfin mit ihrer perfekt gesungenen Arie „Dove sono“die Herzen der Besucher, wenn ihre Stimme auch in der Höhe etwas hart klang, aber mit guter Technik konnte sie durchaus überzeugen. RalitsaRalinova hatte als Susanna nach ihrer ebenfalls perfekt und mit klangschöner Stimme gesungenen Arie „Giunsealfinilmomentio“, mit der sie ihre liebevollen Gefühle für Figaro zum Ausdruck brachte, erst recht die Sympathien des Publikums auf ihrer Seite.

Sebastian Campione zeigte seinerseits als Figaro jedoch wenig musikalisches Gespür (Rhythmus?) und auch wenig Profil. Simon Stricker verstand es, mit schauspielerischem Geschick, manche Klippe seiner nicht leichten Partie des Grafen Almaviva ohne Aufsehen zu „umschiffen“. Etwas blass erschienen hingegen Iris Marie Sojer als Cherubino und Wendy Krikken als Barbarina.

Das Intriganten- und spätere zweite Brautpaar Marzelline (Joslyn Rechter) und Dr. Bartolo (Matthias Henneberg) überzeugte auf seine Art. Mit charaktervoller, ansprechender Stimme gestaltete Timothy Edlin in Personalunion die Rolle des Basilio und Dr. Curzio. Marcel van Dieren war ein sehr junger Gärtner Antonio. Die Damen und Herren des Opernchores der Wuppertaler Bühnen waren szenisch stark integriert und erfüllten ihre Aufgaben auch gesanglich gut. Vor allem musikalisch war es eine sehr ansprechende Aufführung, bei der die wichtigsten Impulse aus dem Orchestergraben kamen.

(c) Bettina Stöß

Ingrid Gerk, 15.10.2019

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