Premiere am 16.3.2019
Gerät man mit dem Text in Not, schlägt man selbst einen Händel tot – leider…
„Ich war gestern da und bin heute wieder da“- so Harry Kupfer im Programmheft zu seiner Rückkehr an die Komische Oper mit Händels Poros– und „er kommt morgen hoffentlich wieder“, möchte man hinzufügen. Siebzehn Jahre ist es her, dass der ehemalige Chefregisseur der Komischen Oper Berlin seine letzte Regiearbeit dort ablieferte, immerhin 33 Jahre, dass er mit einer Händel-Oper, dem Giustino, einen ganz besonderen Erfolg feierte und gleichzeitig Jochen Kowalski in der Titelpartie zum Durchbruch als Countertenor verhalf. Nun sollte es wieder Händel sein, das wenig gespielte Werk Poros, das Kupfer als junger Regieassistent in Halle kennen gelernt hatte und für das er sich nun entschied, als ihm Barrie Kosky die freie Wahl des Stücks für seine Regiearbeit an der Komischen Oper ließ.
Das Werk aus der Alexanderzeit in seiner Entstehungszeit spielen zu lassen, dafür gibt es gute Gründe: die Gründung der East Indian Company lag zur Zeit der Uraufführung erst wenige Jahre zurück, das Interesse vor allem des englischen Publikums an allem Exotischen war groß, das Thema, das Aufeinanderstoßen zweier Kulturen auch heute aktuell, so dass der Entschluss, die Handlung des Metastasio-Librettos zu verlegen, naheliegend und nachvollziehbar ist. Weniger ist es die Durchtextierung der Arien durch Susanne Felicitas Wolf anstelle des unendlichen Wiederholens weniger Sätze, zumal die Musik in Variationen immer dasselbe ausdrückt, während nun, da kaum gekürzt wurde, immer neue sprachliche Ausdrucksmittel für ein und dieselbe Gemütsregung entwickelt werden müssen. Das führt zu einer wilden Mischung von Umgangssprache und Hochsprache, und wenn dann noch das Bemühen um einen Reim dazu kommt, kann es unendlich peinlich werden, da reimt sich Sterben auf Verderben, Tod und Not, bestehen und vergehen, gibt es peinliche Aussagen wie „verspielt sind Lebensstunden“ oder „die Würde ist vertan“ oder „durch emsiges Bemühen löst du die Schande auf“. Verzierungen lassen sich mit solchen Texten kaum anders als holprig singen.
Der Grundirrtum des Abends besteht in dem Vorhaben, aus einem hochartifiziellen Barockdrama realistisches Musiktheater machen zu wollen, aus Sängern, die durch ihr vokales Virtuosentum verblüffen und entzücken müssten, Singschauspieler zu formen, statt einer stilisierten oder eventuell auch durch Überladensein ironisierenden Bühne die realistische Fototapete eines tropischen Urwalds (Hans Schavernoch) bis fast zum Schluss dominieren zu lassen. Die Musik ist wunderschön, verliert aber durch die Geschwätzigkeit des Librettos an Wert wie an Aufmerksamkeit des Zuschauers.
Alexander der Große, der hier Sir Alexander, Offizier der englischen Krone, ist, wirkt wie ein Depp, der sich in unerschöpflicher Güte von den Einheimischen an der Nase herumführen lässt. Mit Sätzen wie „Ich bin ein pflichtbewusster Mann, ich bin von Indien angetan“ kann man keine wie auch immer geartete Autorität aufbauen und sie lassen sich zudem schlecht singen. Erst am Schluss bekommt die Sache Pfeffer, um den es neben anderen Gewürzen und sonstigen Kolonialwaren wohl ging, wenn die Engländer Alkohol und Waffen als Tauschobjekte anbieten und ein riesiger Union Jack sich über die Wildnis senkt.
Die Besetzung des britischen (Un)heilsbringers mit dem Countertenor Eric Jurenas, bereits mehrfach Gast am Haus, ist deshalb nachvollziehbar, denn er wirkt mit seiner irisierenden Stimme wie ein akustischer Fremdkörper. Dominik Köninger aus dem Ensemble singt mit markantem Bariton den wankelmütigen Poros. Philipp Meierhöfer ist der getreue Gandharta, dem Wärme, Farbigkeit und Zuverlässigkeit auf die Stimmbänder gelegt sind. Noch dunkler klingt der Bass, den Joao Fernandes für den intriganten Timagenes einsetzt. Schöne und dabei interessante, charaktervolle Stimmen haben die beiden Damen anzubieten. Ruzan Mantashyan besitzt einen reizvoll timbrierten, schillernden Sopran für die treue Mahamaya und kann sich an wunderschönen Kostümen von Yan Tax erfreuen, Idunnu Münch einen aparten Mezzosopran für Nimbavati, Schwester des Poros. Musikalisch ist also kaum etwas auszusetzen, ganz und gar nichts am Orchester unter Jörg Halubek, bei dem man immer dann beglückt aufhorcht, wenn es eine von Sprache verschont gebliebene Passage zu bewundern gibt. Recht matt erklang gelegentlicher Szenenapplaus, herzlich der am Schluss eines Abends, der wohl viele Zuschauer mit sehr gemischten Gefühlen nach Hause entließ.
Fotos Monika Rittershaus
17.3.2019 Ingrid Wanja