Berlin: „Viktoria und ihr Husar“

Besuchte Aufführung am 30.12.18 (Premiere am 23.12.18)

Jahreskehraus

"Berlin Babylon" heißt die erfolgreiche, historische Krimiserie, die nach Volker Kutschers wunderbaren Krimis, den Umbruch der Weimarer Republik in das Dritte Reich schildert. Kennen Sie nicht ? Sollten Sie aber ! In jeder Buchhandlung gibt es davon zur Zeit einen ganzen Tisch voll, beginnen Sie mit "Der nasse Fisch". Spannende Krimis reizen Sie nicht, dann vielleicht interessant geschilderte Charaktere, nein, dann vielleicht einfach einen lebendig, hervorragend recherchierten Geschichtsunterricht ? Versuchen Sie es, ich bin begeistert!

So, aber was hat das mit Paul Abrahams Operette zu tun ? Man könnte die Musik als den passenden "Soundtrack" bezeichnen, kitschig, jazzig, frivol und schön, das ganze Spektrum der Unterhaltungsmusik dieser Zeit auf höchstem Niveau und einem unglaublichen Gefühl für Melodie, eigentlich ist jede Nummer ein echter Ohrwurm ! Die Komische Oper Berlin hatte letztes Jahr mit "Märchen im Grandhotel" den konzertanten Paul-Abraham-Zyklus begonnen, szenisch ist die wunderbare Inszenierung des "Ball im Savoy" im Repertoire, "Roxy und Ihr Wunderteam" wird noch diese Saison folgen.

Die "Viktoria" war Abrahams großer Durchbruch und führt von Sibirien nach Japan, über St.Petersburg nach Ungarn, musikalisch gibt es mindestens noch einen Streifschuss nach Wien. Die Handlung ist nicht wirklich originell, die Musik ist es schon, trotzdem schreit das Werk eigentlich nach der Szene und würde auch gut funktionieren. Insofern ist die nur konzertante Wiedergabe auch ein bisschen schade. Zweite Frage: Warum nur zwei Aufführungen, denn das Haus ist ausverkauft !

Die Aufführung findet "semikonzertant" statt: Gerd Wameling führt aus der Sicht des amerikanischen Botschafters Cunlight mit angenehm trockenem Humor durch die Handlung, dazu gibt es Katrin Kath Kostüme, die Herren im Smoking, die bezaubernden Damen in traumhaften Zwanziger-Jahre-Roben. Es gibt ein herb ernstes Paar: Viktoria und ihren Husar; Rittmeister Stefan Koltay, letzterer von Daniel Prohaska mit baritonal grundiertem Tenor und strahlenden Spitzentönen gegeben. Vera-Lotte Böcker eine mondäne Viktoria. Beide vereinen vokale Emphase mit zartem, verinnerlichtem Piano. Erstes Buffopaar O Lia San (Mausi) und Graf Fery Hegedüs, charmant von Alma Sadè und Peter Renz gespielt und gesungen, das zweite Buffopaar Jancsi und Riquette wurden aus dem Opernstudio besetzt, beide jungen Sänger nutzen die Chance und jagen den "alten Hasen" fast den Schneid ab, die erotisch rauchige Stimme von Marta Mika sollte man sich genauso merken, wie den hervorragend fokussierten, hellen Tenor von Daniel Foki.

Chor und Orchester der Komischen Oper hat man lange nicht so brilliant gehört, was auch am Spiritus Rektor am Dirigierpult liegen mag: Stefan Soltesz habe ich noch mit traumhaften Wagner- und Straussdirigaten im Ohr, doch Operette kann er mindestens genauso gut, es macht ungemeinen Spass, ihm beim Zelebrieren von Paul Abrahams Musik zu beobachten. Die seidenfeinen Piani lassen bei "Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände" die Sänger gleich noch einmal leuchten, Stecknadelstille im Auditorium, so schön hab eich das noch nie gehört. Doch auch die übermütigen Nummern mit ihren jazzigen Orchesterimprovisationen gelingen bestens: "Mausi, süß warst du heute Nacht", "Die Jazzbandsingers" oder "Ja, so ein ungarisches Mädel". Soltesz ist in jedem musikalischen Genre zu Hause.

Ohne Pause federt dieser Abend atemlos und pausenlos durch eineinhalb Stunden und ist dann leider schon zu Ende. Noch einmal die Frage: Warum eigentlich nur zwei Aufführungen?

Martin Freitag 3.1.2019

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