Magdeburg: „La Traviata“, Giuseppe Verdi

Nach fast 15 Jahren gibt es in Magdeburg mit „La Traviata“ wieder eine Neuinszenierung der wohl beliebtesten Verdi-Oper zu erleben, die in Co-Produktion mit der Neuen Oper im schweizerischen Fribourg entstanden ist.

© Nilz Boehme

„Das Leben ein Alptraum?“ – diese Frage drängte sich angesichts des feministischen Regie-Konzepts der Regisseurin Tamara Heimbrock auf, die der Pariser Kurtisane eine alte Frau und ein junges Mädchen hinzugefügt hatte und sie in einer Art Traumbild auf ihr Leben zurückblicken lässt. Dabei missachtete sie mehrfach das Libretto, was nur zum Teil zu goutieren ist. Vertretbar ist es, wenn Violetta zum Vorspiel im weißen Kleid des letzten Aufzugs auf der durchgängig fast kahlen Bühne steht, die nur durch schleierhafte Vorhänge begrenzt ist (Bühnenbild: Judith Philipp) und die Oper mit Violettas  Freudenruf „oh gioia!“ endet. Dass aber alle anderen im letzten Bild nur als Schattenrisse hinter den Vorhängen zu sehen sind und dadurch das innige Duett mit Alfredo „Parigi, o caro, noi lasceremo…“ geradezu verpufft, konnte nicht gefallen. Ebenso wirkten die sehr bunt gekleideten Choristen (Kostüme: Nathalie Himpel) mit ihren durchgehend vogelhaften Bewegungen und der zeitweise eigenartigen Choreografie (Mélanie Gobet) merkwürdig. Einige von den Männern und auch kurzzeitig Solisten wie am Schluss Dr. Grenvil (David Howes) trugen schwarze Rabenköpfe, was alptraumhafte Wirkung hervorrief. Während des gesamten Ablaufs waren die alte Frau als Symbol der Krankheit und des Todes sowie das Mädchen zu sehen, so als Rückblick in eine nicht unbeschwerte Kindheit – wenn es von Mann zu Mann weitergereicht wird – oder immer wieder mit symbolischen Handlungen wie das Zerbröseln von Blütenblättern.

© Nilz Boehme

Die musikalische Verwirklichung war insgesamt mehr als nur zufriedenstellend; wie gewohnt ließ der Opernchor in der Einstudierung von Martin Wagner ausgewogene, mächtige Klänge hören. Magdeburgs 1. Kapellmeister Svetoslav Borisov am Pult der sich durch ausgezeichnete Leistungen profilierenden Magdeburgischen Philharmonie sorgte souverän für den nötigen Schwung und ließ genügend Raum für die ruhigeren Passagen.

Von den Hauptpartien ist an erster Stelle Rosha Fitzhowle als Violetta zu nennen, die ihre vielfachen Stimmungswechsel überzeugend darzustellen wusste. Erneut gefiel ihr durchschlagkräftiger, bis in extreme Höhen intonationsrein geführter Sopran, bei dem man sich lediglich etwas mehr Zurückhaltung in den lyrischen Teilen, besonders auch im letzten Akt gewünscht hätte. Ihr Alfredo war Aleksandr Nesterenko, der über schöne Lyrik verfügt, leider aber jeglichen tenoralen Strahl und Glanz vermissen ließ.

© Nilz Boehme

Als unpassend rüpelhafter Vater Germont trat der isländische Gast HróIfur Sæmundsson auf, der über einen kräftigen Bariton verfügt, den er allerdings meist allzu undifferenziert einsetzte. Beispielsweise  gelang ihm nicht die eigentlich tröstliche Wirkung des „Piangi, piangi…“ in der großen Auseinandersetzung mit Violetta im 2. Aufzug. Ebenso unpassend ist ihre Erniedrigung, wenn Germont ihre Lippen mit Lippenstift übermalt und sie so in die Kurtisanenrolle zurückschickt. Im Übrigen zeigte sich in den vielen kleineren Rollen mit Weronika Rabek (Flora), Peter Diebschlag (Gaston), Marko Pantelić (Baron Douphol), Giorgi Mtchedlishvili (Marquis D’Obigny) und Elvire Beekhuizen (Annina) die Solidität des Magdeburgischen Opernensembles. Das Premierenpublikum war begeistert und spendete allen Mitwirkenden starken, lang anhaltenden Beifall, während sich das Regieteam für Magdeburg ungewöhnlich zahlreiche Buhrufe gefallen lassen musste.

Gerhard Eckels, 4. Mai 2025


La Traviata
Giuseppe Verdi

Theater Magdeburg

Premiere am 3. Mai 2025

Regie: Tamara Heimbrock
Musikalische Leitung: Svetoslav Borisov
Magdeburgische Philharmonie

Weitere Vorstellungen: 11., 25.Mai + 1.,8.Juni 2025