Berlin: „Die Gespenstersonate“

Werkstatt

Vorstellung am 27.6.2017

Premiere am 25.6.2017

Große Wirkung mit wenig Aufwand

Mit dem Tropfen eines Wasserhahns oder dem Ticken eines Uhrwerks hat es die penetrante Regelmäßigkeit gemeinsam, das Geräusch, das den Abend mit Aribert Reimanns Die Gespenstersonate beginnen und auch enden lässt, und auch optisch begegnen sich Anfang und Ende, indem alle Mitwirkenden außer dem Studenten mit der Gabe, Tote zu sehen, wie entseelt auf dem Boden liegen. 1984 wurde das Werk nach einem Theaterstück von Strindberg von der Deutschen Oper im Hebbel-Theater aufwändig ausgestattet aufgeführt, zudem mit dem Trumpf einer Martha Mödl als Mumie mit dem Hang zum Papageiengeplapper – es gibt davon eine DVD. Die Werkstatt der Staatsoper im Schillertheater beweist, dass es auch ohne Stars und großen szenischen Aufwand geht, wenn man junge, tüchtige Sänger hat, die bereit sind, jedes nur denkbare darstellerische und vokale Risiko einzugehen.

Bariton Otto Katzameier, als Sänger in der Werkstatt mehrfach und auch bereits auf der großen Bühne zu erleben, hat sich zum ersten Mal als Regisseur versucht, hat die sieben stummen Rollen gestrichen und einige der verbleibenden zusammengelegt, so dass sieben Sänger übrigbleiben. Der Raum und die Kostüme sind ganz in Schwarz-Weiß gehalten, zwei Leitern geben der Dienerschaft Gelegenheit, sich über die Herrschaft zu erheben, ein Tisch, einige Stühle und ein Rollstuhl machen die Bühne aus (Stephan von Wedel). Nur die Lichtregie von Irene Selka steuert Farbiges bei, Gespentisches die übergroßen Videoportraits der Verstorbenen, des Vaters von Student Arkenholz und des ertränkten Milchmädchens. Selbst das Orchester sitzt hinter einem schwarzen Gazevorhang auf der Empore, wo Dirigent Michael Wendeberg souverän in lässiger Sicherheit mit der Linken das Orchester und mit der Rechten die Sänger führt, die Instrumente bizarre Effekte durch das Ausreizen ihrer Möglichkeiten, was Höhe und Tiefe angeht, erzeugen lässt.. Von besonderem Reiz zeigen sich die Zwischenspiele, die die drei Akte miteinander verbinden.

Wahrlich Erstaunliches leisten die durchweg jungen Sänger und lassen im Nachhinein noch einmal die Dürftigkeit des schauspielerischen Einsatzes der Stars in den Perlenfischern deutlich werden. Dabei sind die gesanglichen Anforderungen zwar ganz andere, aber bei weitem nicht geringere.

Bühnen-, sprich wertstattbeherrschend ist David Oštrek, Mitglied des Internationalen Opernstudios, der nicht nur zum optischen Mittelpunkt des Geschehens, sondern im Verlauf der Vorstellung auch zu dem Maßstäbe setzenden Sänger mit einem dunklen, Autorität ausstrahlenden Bass schönen Timbres wird, dessen Zusammenbruch dann für den Unkundigen wohl besonders überraschend kommt. Er singt den Direktor Hummel und den Alten. Enorme Ansprüche an die Tenorstimme von Matthew Peña stellt die Rolle des Studenten, die Intervallsprünge sind mörderisch, die Höhen stratosphärisch und werden von dem jungen Sänger erstaunlich gut bewältigt. Dazu singt er besonders wortverständlich, was auch auf die meisten anderen Mitwirkenden zutrifft.

Ein schweres Erbe hat Alexandra Ionis mit der Rolle der Mumie angetreten, wenn sie spricht, kann sie weniger als mit ihrem Gesang überzeugen. Mit satten Stimmfarben erfreut Natalia Skrycka als Dunkle Dame und spielverderbende Köchin. Paula Rummel ist mit höhensicherem, reinem Sopran die unglückliche Tochter des verdammten Hauses.

Nach der Medea in der Komischen Oper und nun der Gespenstersonate in der Staatsoper, steht zur Saisoneröffnung der Deutschen Oper noch eine Uraufführung von einer Aribert- Reimann-Oper aus.

Fotos Vincent Stefan

27.6.2017 Ingrid Wanja