Premiere: 31. März 2019, besuchte Vorstellung: 12. Mai 2019
Mit Shakespeare hat sich Bridget Breiner schon mehrfach als Choreografin auseinandergesetzt, hat „Der Sturm“ und „Romeo und Julia“ auf die Gelsenkirchener Bühne gebracht. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich auch den „Sommernachtstraum“ beschäftigt. Die Produktion ist auch ein Abschied von Gelsenkirchen, denn zur nächsten Saison wechselt Breiner an das Staatstheater Karlsruhe.
Während Youri Vamos für seine Version des „Sommernachtstraums“ (Basel 1995) nur auf Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy zurückgriff, erweitert Breiner das musikalische Spektrum. Da ihr bei dieser Produktion kein Orchester zur Verfügung steht, erklingen Teile der Schauspielmusik aus der Konserve, andere Stücke sind für Klavier und Akkordeon neu arrangiert worden. Annette Reifig steuert ein elegant-kraftvolles Klavierspiel bei, Marko Kassl musiziert am Akkordeon mit einer gehörigen Portion Biss.
Die Elfen- und Geisterwelt erhält durch zeitgenössische Akkordeonmusik oft einen aggressiv-düsteren Anstrich, in den Handwerkerszenen erklingen oft Stücke aus Duke Ellingtons Suite „Such Sweet Thunder“ vom Band. Manchmal wünscht man sich, trotz der Vielfältigkeit der Musik, die auch die Charaktere wiederspiegelt, eine geschlossene Musikauswahl. Selbst ein reines Duke-Ellington-Programm scheint denkbar, so gut funktioniert seine Suite als Ballettmusik.
Breiner erzählt die komplizierte Geschichte klar und verständlich, behält den Athener Hof, die zwei Liebespaare, die sechs Handwerker und die Elfenwelt bei. Oft erzählt sie mehrere Handlungsstränge gleichzeitig, ohne den Überblick zu verlieren. Dabei setzt sie auch eigene Akzente: So bleibt die Beziehung zwischen Theseus und Hippolyta bis zum Schluss angespannt, beide scheinen nur aus politischen Gründen zu heiraten. Bridgett Zehr tanzt die Titania und die Hippolyta als selbstbewusste Frauen auf der Suche nach der richtigen Liebe. Paul Calderonne verleiht dem Oberon und dem Theseus die nötige Energie.
Während sonst nur Peter Zettel in einen Esel verwandelt wird, darf der Puck in Gelsenkirchen alle Handwerker in Tiere verwandeln. Sogar ein tanzendes Eichhörnchen, ein Bieber und Eule sind hier zu erleben. Von der Handwerker-Truppe bleiben besonders Ledian Soto als eselshafter Nick Bottom und Rita Duclos, die als Mond in „Pyramus und Thisbe“ viel Humor zeigt, in Erinnerung. Sehnsuchtsvoll legen Francesca Berruto, Sara Zinna, Carelos Conterras und Louiz Rodrigues die zwei jungen Liebespaare an.
Gelungen ist das Bühnenbild von Jürgen Kirner. Die Dekoration des Athener Hofes ist eine große und kalte Betonwand, in der sich ein Wellenmuster befindet. Der Zauberwald wird durch eine schüsselförmige Konstruktion dargestellt, die über der Bühne schwebt. Ihr verflochtenes Muster ist von angedeuteten Baumstämmen durchzogen. Mal schwebt diese Konstruktion gut beleuchtet über der Bühne, in anderen Situationen wird sie von oben beleuchtet, so dass sie ein geheimnisvolles Gewirr von Schatten auf den Bühnenboden wirft.
Während Bridget Breiner ihre Aschenputtel-Version „Ruß“ in der nächsten Saison in Karlsruhe zeigt, ist „Ein Sommernachtstraum“ vorerst nur in Gelsenkirchen zu sehen. Ein kluge Entscheidung, denn in Karlsruhe ist zur Zeit noch die Choreographie von Youri Vamos zu sehen.
Bilder (c) Costin Radu
Rudolph Hermes 19.5.2019
(c) Der Opernfreund / Klier