Besuchte Premiere am 12.01.19
Operette und Überoperette
Unter die Megararitäten der Saison muss die Operette „Rosen aus Florida“ an der MuKo Leipzig gezählt werden, wenn Sie sie nicht kennen, geben Sie sich bestimmt keine Blösse, denn das Werk ist nur den „Hardcore-Fans“ des Genres bekannt, und auch dann nur vom Hörensagen. Die Aufführungen fanden im Rahmen des Dirigentenworkshops der Muko/Oper Leipzig mit dem Deutschen Musikrat statt, und erlaubten einen Eindruck der Operette zu bekommen, vielleicht wird es sogar eine CD-Aufnahme davon geben.
So, jetzt zum Stück selbst: die Bezeichnung lautet Operette von Leo Fall in der musikalischen Einrichtung von Erich Wolfgang Korngold, die Handlung ist weder besser noch schlechter als andere Operetten der Zeit: eine geflohene russische Fürstin findet sich in der Intrige um einen allzu begehrten amerikanischen Millionär wieder, nach zwei harmlosen Akten in den USA, löst sich der melodramatische Knoten in der Hauptstadt der Liebe :Paris. Der Inhalt ist eher das Uninteressante des Werkes, die Musik ist das Wichtige! Und hier stapelt der musikalische Bearbeiter ungemein unter. Kann man bei „Wiener Blut“ und „Das Dreimäderlhaus“ eindeutig sagen, daß die Musik von Johann Strauß Jr. oder Franz Schubert, die Bearbeitung von Müller, respektive Bertè ist.
Sind die „Rosen aus Florida“ ein völlig gebundenes Amalgam, wo man nicht sicher sein kann, wo Fall anfängt und Korngold endet. Leo Fall starb im Jahre 1925, die Operette wurde 1929 uraufgeführt. An mancher der reizvollen Nummern klingt es wie Fall, so bei synkopierten Walzern oder slawisierten Buffonummern, die üppige Orchesterbehandlung und mancher musikalische Bogen hört sich eindeutig nach Korngold an. Mancher wird sagen: für Operette zu opernhaft, für Oper zu operettenhaft. Doch Korngold weiß genau , wie man das leichte Genre bedient, so daß man nie das Gefühl hat, sich in der herb-schwülstigen Atmosphäre von „Wunder der Heliane“ zu bewegen. Das Stück bereitet dem Publikum die nötige beschwingte Freude und könnte durchaus mal szenisch auf die Probe gestellt werden.
Alle Zuhörer hoffen auf einen musikalischen Mitschnitt, denn die Aufführung hatte echte musikalische Meriten. Zunächst das Traumpaar der Leipziger MuKo: Adam Sanchez mit strahlendem Tenor und der effektvollen Bonhomie als Millionär Goliath Armstrong und Lilli Wünscher als exzellent überspannte Emigrantin Irina Naryschkin in den großen melodischen Bögen der Korngoldschen Exstase schwer zu schlagen. Dèsirèe Brodka als charmante Intrigantin Dorritt Farring, eigentlich die Soubrettenpartie, die hier gar nicht soubrettig wirkt, denn die Sängerin hat selbst das Zeug zu einer Operettendiva. Andreas Rainer als pfiffiger Sekretär Tommy Webbs entspricht da eher, auf gekonnte Weise, dem Tenorbuffo-Klischee und darf sie vor den Altar führen. Anne-Kathrin Fischer, Milko Milev und Michael Raschle akkordieren präzise aus dem Ensemble. Der Chor der MuKo erledigt seine Aufgaben hervorragend. Cusch Jung führt als Sprecher charmant durch die Handlung.
Kommen wir zum besonders wichtigen Teil des Abends, denn die musikalische Leitung wird für die Teilnehmer des Dirigierworkshops gedrittelt. Wir haben also drei Dirigenten abwechselnd im Laufe des Abends am Pult. Talent haben sie hörbar alle drei, denn das Orchester der MuKo klingt ganz ausgezeichnet und nie hat man das Gefühl die Sänger stehen wirklich allein vor ihren Pulten. Gefällt bei dem Schweizer Reto Schärli der ausgefeilte Umgang mit dem Orchester, so überzeugt die Koreanerin Yura Yang mit Gestaltungswillen und Temperament, mein persönlicher Favorit ist allerdings der Koreaner Chanmin Chung ,der die richtige Verve für das schwierige Genre Operette absolut auf den Punkt serviert. Bei allen Teilnehmern wäre ich auf eine Wiederbegegnung auf jeden Fall (und natürlich auch bei anderen Komponisten) gespannt.
Ein sehr interessanter Abend, wobei auch dem musikalischen Leiter der MuKo gedankt werden muss, der bei diesem jährlichen Workshop das Abschlusskonzert eines „bunten Operettenabends“, zu dem einer Wiederentdeckung einer kompletten Rarität, angestossen hat. Für nächstes Jahr soll auch schon ein spannender Pfeil im Köcher stecken, man darf gespannt sein.
Bilder (c) Tom Schulze
Martin Freitag 15.1.2019