Regensburg: „Rigoletto“

besuchte Vorstellung: 18.11.2014

Vor allem musikalisch wertvoll

Lt. der Datenbank von Operabase gehört „Rigoletto“ mit annähernd 500 Produktionen in den vergangenen fünf Spielzeiten zu den Top 10 der am meisten gespielten Opern unserer Tage. Das macht es einem Regisseur nicht leicht, hier noch wirklich neue Aspekte zu finden, und so gibt Brigitte Fassbaender, die für die aktuelle Regensburger Produktion verantwortlich zeichnet, im Programmheft unumwunden zu, dass „jeder glaubt zu wissen, wie es sein muss und auszusehen hat“ und dass die Handlung wenig Raum für Deutungen zuließe. Aber inszenieren hätte man’s dann doch können…

Die einst gefeierte Mezzosopranistin und ehemalige Intendantin des Tiroler Landestheaters in Innsbruck unterlässt dies jedoch weitgehend, streicht nicht nur Deutungen, sondern auch Bühnenbild weitestgehend und steckt die Protagonisten in zeitgenössisches Gewand (Bühne und Kostüme: Dorit Lievenbrück). Die Bühne wird beherrscht von einem Gerüst mit einer Treppe auf jeder Seite, dreht sich im letzten Akt um 90 Grad und wird nur da und dort ergänzt, z.B. durch ein scheinbar an Luftballons hängendes Zimmer Gildas in der zweiten Hälfte des ersten Aktes – zugegebenermaßen eine sehr schöne Idee – oder durch eine Art Trophäenwand des Herzogs mit so überdimensionalen wie verfremdeten Damenportraits im zweiten Akt. Die Sänger haben im Wesentlichen an der Rampe zu stehen, gerne nebeneinander – Gilda darf in ihrer Verzweiflung im dritten Akt auch mal von der rechten auf die linke Bühnenseite wechseln und da weiterleiden, mehr passiert leider nicht. Um die verpassten Chancen, das Innenleben Rigolettos offenzulegen, seine körperliche Verkrüppelung als Symbol zu sehen (hier Narben an Gesicht und Körper statt Buckel), Gildas Liebe zu Herzog als Flucht vor der erdrückenden Vaterliebe zu deuten, ist es schade. Doch dafür entschädigt die musikalische Seite des Abends.

Adam Kruzel verkörpert die Titelfigur mit großer Leidenschaft und Herzblut, verfügt über viel Kraft in der Stimme, zeigt aber leider auch weitgehend nur diese. Lyrische Passagen da und dort hätten es dem ausgezeichneten Schauspieler leichter gemacht, das Publikum auch wirklich musikalisch emotional zu packen. Da singt der junge Yinjia Gong den Herzog schon wesentlich differenzierter, verfügt über sichere Höhe von enormer Strahlkraft und präsentiert ebendiese genauso gerne wie zart schmelzende Pianissimi. Die aus Weißrussland stammende Anna Pisareva – dem einen oder anderen vielleicht aus dem arte-Opernwettbewerb „Wer ist Carmen?“ als Micaela in Erinnerung – verzückt, wann immer sie die Bühne betritt. Sie gibt das verliebte, zart fühlende, verunsicherte und zum Schluss enttäuschte Mädchen mit Innbrunst und vermag mit bezaubernden Koloraturen und gefühlvollem Gesang echte Gefühle zu transportieren. Jongmin Yoon s Sparafucile überzeugt erst im letzten Akt, in dem er an der Seite seiner Bühnenschwester Vera Egorova glänzt, Stephanos Tsirakoglou gelingen als Monterone zwei beeindruckende Szenen. Das restliche Ensemble zeigt durchweg eine solide und überzeugende Leistung: Mikhail Kuldyaev als Ceprano, Angelika Hirscu als dessen Gattin, Cameron Becker als Borsa, Christiana Knaus als Giovanna, in Kleinstrollen Mert Öztaner und Elena Lin. Hervorzuheben aus diesem Kreis ist Matthias Wölbitsch, der als Marullo mit enormer Spielfreude und frischer Stimme zu überzeugen weiß. Opernchor und Extrachor sind gut disponiert und liefern eine durchaus gute Leistung ab.

Tetsori Ban am Pult findet den richtigen Effet, zeigt die Partitur in weiten Teilen glücklicherweise sehr italienisch und ist nur an der einen oder anderen Stelle, beispielsweise während des Quartetts im letzten Akt, ein wenig zu zurückhaltend und brav.

Alles in allem lohnt der Abend vor allem hinsichtlich der wunderbaren jungen Stimmen. Das Publikum feiert seine Hausstars – und das zu Recht.

Jochen Rüth 22.11.14

Bilder: Teater Regensburg

P.S.

Vielleicht sollte mal jemand der technischen Abteilung sagen, dass alles, was in der Regiekabine gesprochen wird, durchaus noch – wenn auch gedämpft – durch die Scheibe dringt und somit die letzten beiden Parkettreihen mehr oder weniger erfreut. Das mache ich jetzt: Dass man am Arbeitsplatz auch mal reden dürfen muss, leuchtet ein. Pausenloses Gerede während der kompletten Vorstellung und schallendes Gelächter aus der Tonkabine, während das künstlerische Personal versucht, Gildas Tod überzeugend zu präsentieren, ist nicht nur gegenüber den Künstlerkollegen unangebracht, sondern auch gegenüber dem Publikum.