Schweinfurt: „Land des Lächelns“

Aufführung 08.05.2016, Premiere 18.12.2015 – Gastspiel Theater Hof

Schwelgen in herrlichen Melodien mit kleinen Unebenheiten

Wenn eines der Welterfolge von Franz Lehár aufgeführt wird, mit schwelgerischen Melodien, mit großen Tenorarien, die einst Richard Tauber präsentiert hat, für den diese Operette geschrieben wurde, dann ist das Theater in Schweinfurt bis auf den letzten Platz gefüllt. Die herzzerreißende Mär von der Liebe der Wiener Komtess zu dem Prinzen Sou-Chong aus dem fernen China ist aber auch zu schön anzuhören und anzusehen. Das für eine Operette traurige Ende, Lisa verlässt an der Hand ihres früheren Geliebten Ferdinand von Pottenstein, der der Schwester des Prinzen, der kleinen Mi den Kopf verdreht hat, ihren Traumprinzen, der sich für sie zum Tyrannen entpuppt hat und lässt eine tieftraurige Mi und einen noch berührteren Sou-Chong zurück, deren sentimentale „Immer nur Lächeln“ – Philosophie den Gegensatz von Europe und China aufzeigt. Diese vier Personen sind auch das Gerüst der Operette und mit ihnen steht und fällt die Aufführung.

Dorothee Koch als Lisa und Andre Nevans als Sou Chong

Die Hofer Symphoniker haben einen guten Tag erwischt, sie spielen brillant auf, leidenschaftlich geführt von Roland Vieweg, der sie immer sicher „in Griff hat“, viel Feuer, aber auch viele sentimentale Verträumtheit mitbringt. Er nimmt bei den Gesangspassagen seine Orchesterfluten behutsam zurück um den sängerischen Freilauf zu garantieren, was nicht ganz gelingt, vor allem bei den großen Arien des Sou-Chong´s. Der Chor, der von Hsin-Chien Chiu standesgemäß eingestellt wird und das Ballett geben eine ausgezeichnete Vorstellung, sind immer präsent und vor allem der Chor in seiner Choreographie, welche überzeugend von Barbara Buser gestaltet wird, gelangt mit zu einem Höhepunkt der Aufführung. Die Inszenierung von Francois de Carpentries und Karine van Hercke stellt das Werk in seine Anfangsbereiche, Gott sei Dank keine moderne Gestaltungsverhunzung. So wird dem Prinzen auch nicht die Gelbe Jacke verliehen, sondern er bekommt die rote Mao-Bibel überreicht, die auch vom Chor vielfach präsentiert wird. Es ist gewöhnungsbedürftig, aber durchaus stimmig, es gibt keinen Bruch in der Erzählung aus dem fernen Land. Teilweise sind prachtvolle Kostüme zu bewundern und alles ist üppig und schön anzuschauen.

Thilo Andersson als Gustl und Dorothee Koch und Andre Nevans

In die Rolle des Richard Tauber, dem aufgrund einer Erkrankung, durch welche er sich nur mühsam bewegen konnte, die Rolle von Franz Lehár auf den Leib geschneidert wurde, schlüpft Andre Nevans, der sich redlich bemüht. Die großen knallenden Höhen gehen ihm am heutigen Tag jedenfalls etwas ab, er muss auch des Öfteren transponieren und kann so den Schlagern der Operette zwar Leben einhauchen, aber es reicht für mich nicht ganz. Auch wird er vom Orchester öfter zugedeckt, vor allem, wenn er der Rampe abgewandt zur Seite oder gegen das Publikum singen muss. Hier hätte man auf ihn schon ein bisschen mehr eingehen müssen, denn er besitzt eine schöne vollmundige Stimme, für die Partie ist er mir jedoch an diesem Nachmittag etwas untergewichtig. Ebenso wie Lisa, die Tochter von Graf Ferdinand Lichtenfels, der ohne Tadel von Hans-Peter Pollmer dargebracht wird, die mit Dorothee Koch besetzt ist. Darstellerisch bringt sie eine sehr gute Leistung auf die Bühne, gesanglich ist jedoch auch sie mir etwas zu zurückhaltend, ihr schöner aber etwas kleiner zarter Sopran gibt alles, sie hat auch etliche sehr schöne Passagen und gefällt insgesamt in der Rolle. Thilo Andersson als Gustl, Graf von Pottenstein weiß da stimmlich schon mehr zu überzeugen. Er spielt gut, er singt sehr schön mit kräftigem Charaktertenor, der auch als sehr hoher Bariton durchgehen würde. Er ist ein ausgezeichneter Operettentenorbuffo und wirbelt in seinen nicht allzu großen Auftritten über die Bühne, dass es eine wahre Freude ist. Mit Tanja Christine Kuhn hat er aber auch eine adäquate Partnerin gefunden, die für mich eine Luxusbesetzung der Mi, der Schwester Sou-Chong´s darstellt. Quirlig, mit lebendigem glitzerndem Sopran ausgestattet, weiß sie als liebende Chinesin genauso wie als aufopfernd Versagende zu überzeugen. Sie bringt einen Hauch von Tragik in die ansonsten doch sehr kurzweilige Operette.

Dorothee Koch und Tanja Christine Kuhn als Mi

Alle weiteren Darsteller in teilweise sehr kleinen Rollen, machen ihre Sache recht gut und es gibt insgesamt gesehen keinen Ausfall. Marina Schuberth als Lore, die Nichte von Graf Lichtenfels, MacKenzie Gallinger als schottischer Botschafter, Lina Rifqa Kamal als Fini, Karsten Jesgartz als alter Diener und Obereunuch, Daniel Milos als Onkel Tschang und Tae Yil Yoon als Gardeoffizier vervollständigen stimmig das Ensemble.

Insgesamt eine Aufführung, die dem Publikum gefallen hat, teilweise wird sogar – was mich immer sehr stört – mitgesummt und bei „Dein ist mein ganzes Herz“ wird so manches Frauenauge feucht. Das Auge meiner Frau wird feucht, weil man auseinandergeht und der arme Prinz mit seiner noch ärmeren Schwester allein zurückbleibt. Aber so ist es nun einmal bei einer Operette, die nicht nur unbeschwert alle Paare zusammenkommen lässt. Unter dem Strich kann man festhalten, dass man sich sehr gut unterhalten hat, man geht, die eine oder andere Melodie vor sich hin pfeifend aus dem Theater und das ist doch schon sehr viel.

Manfred Drescher, 20.05.2016

Fotos (c) SFF Fotodesign Hof