München: „Die Liebe der Danae“, Richard Strauss

„Machen wir mythologische Oper, es ist die wahrste aller Formen.“
(Aus einem unveröffentlichen Brief von Dr. Franz Strauss an Dr. Egon Hilbert in 1951)

Herzlichen Beifall gab es am 7. Februar für eine neue Inszenierung von Richard Strauss‚ selten gespieltem Spätwerk Die Liebe der Danae an der Bayerischen Staatsoper.
Die Liebe der Danae, mit einem Libretto von Joseph Gregor auf Grundlage eines Entwurfs von Hugo von Hofmannsthal, sollte ursprünglich im Sommer 1944, kurz vor und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt werden. Aufgrund der Kriegssituation blieb es jedoch nur bei einer Generalprobe, die glücklicherweise noch vor geladenen Gästen stattfand. Für Strauss war dies „der letzte, unvergessliche, schönste Abschluss meines künstlerischen Lebens“. Die Uraufführung fand erst nach Strauss‘ Tod 1952 bei den Salzburger Festspielen statt.

Handlung: Der bankrotte König Pollux setzt seine letzte Hoffnung auf die Rettung seiner Tochter Danae durch eine wohlhabende Heirat. Doch der Gott Jupiter hat sich bereits in die schöne Danae verliebt und einen Pakt mit dem armen Eselstreiber Midas geschlossen: Alles, was Midas berührt, wird zu Gold. Im Gegenzug muss Midas jederzeit bereit sein, seine Gestalt mit Jupiter zu tauschen, damit dieser sich Danae nähern kann. Als Jupiter in Midas‘ Gestalt mit seinem Reichtum um Danaes Gunst wirbt, verlieben sich jedoch Midas und Danae ineinander. Jupiter stellt Danae vor die Wahl: ein Leben in Reichtum an seiner Seite oder ein Leben in Armut mit Midas. Danae entscheidet sich für Midas. Als Jupiter erkennt, dass das Gold für Danae keine Bedeutung mehr hat, segnet er resigniert die Liebe des Paares.

Der Gedanke, eine heitere Oper zu schreiben, die den mythologischen Stoff adaptiert, kam Strauss bereits 1916. In seinem Briefwechsel von 1916 bis 1919 schlug er Hofmannsthal mehrfach vor, eine „politische Satire“ zu verfassen. 1920 schickte Hofmannsthal Strauss schließlich das Szenarium Danae oder Die Vernunftheirat / Kleine Oper in drei Akten und erläuterte: „Das Ganze bewegt sich zwischen dem Mythischen, dem Gold und Geld sowie der Ironie des Geldes und dem orientalischen Märchen.“

© Monika Rittershaus

Eine totale Götter- und Menschheitsdämmerung
In dieser sehenswerten Inszenierung bringt der Regisseur Claus Guth die Mythologie in die Moderne: Pollux, ein bankrotter CEO mit Trump-Perücke, wird als Blickfang inszeniert – ein magischer Realismus. Bühnenbildner Michael Levine zeigt ein Großraumbüro im Trump Tower mit Panoramablick auf die Wolkenkratzer einer Metropole. Es stürmt. Eine große Leinwand simuliert das wechselnde Wetter und verleiht der gesamten Bühne ein apokalyptisches Gefühl (Video: rocafilm). In dieser Welt sind die Götter abgewrackt, die Menschheit heruntergekommen, und alles dreht sich nur noch ums Geld. Das Gold wird zur neuen Gottheit. Doch dieser falsche Wohlstand ist nur eine Seifenblase. Im dritten Akt ist das Büro zerstört, mit einem Lagerfeuer am Boden, und im Hintergrund steigen Rauchschwaden zwischen den Wolkenkratzern auf: ein Ende des Kapitalismus oder ein Verfall der Zivilisation? Es ist nicht nur eine Menschheitsdämmerung – auch die Götterwelt wird düster dargestellt. Jupiter, fasziniert von Danae, nutzt die menschliche Gestalt für irdische Eskapaden. Doch sein Abenteuer misslingt, und er wird von seiner Ehefrau Juno und der gesamten Götterwelt verspottet. Seine Exfreundinnen Semele, Europa, Alkmene und Leda verkleiden sich wie New Yorker Frauen aus Sex and the City. Guth beweist Humor!

Suche nach Menschlichkeit, Liebe und Freiheit
Danae, ein unschuldiges Mädchen, zeigt uns eine märchenhafte Welt. Claus Guth inszeniert Danae als Barbie-ähnliche Figur: eine elegante Traumfrau mit feinem Pferdeschwanz und einem neonfarbenen Kleid (Kostüme: Ursula Kudrna). Sie ist wie eine Puppe, die in Wahrheit jedoch eine Spielmarke ihres Vaters ist. Im klingenden Goldregen mit Glockenspiel, Tambourin, Flöte und Geigen-Pizzicato befindet sich Danae in einem fantastischen Traum. Goldenes Bett, goldene Kleider, goldener Spiegel, goldener Zweig – die goldenen Reflektionen machen es dem Publikum fast unmöglich, die Augen angesichts des visuellen Reizes offen zu halten. Claus Guth bringt die Doppeldeutigkeit des Goldes zum Ausdruck: Für Pollux ist Gold ein Symbol für Kaufkraft, für Danae jedoch bedeutet es etwas völlig anderes. Für sie ist es eine Begegnung mit purer Schönheit. Sie durchdringt das System der Täuschung und findet den Weg zu wahrer Liebe. Danae ist eine für Strauss typische tapfere Frauenfigur. Sie beginnt ihren Weg als Teil der Gesellschaft, erwacht jedoch im Laufe der Handlung mit einem skeptischen Blick auf die Gottheit des Goldes, sucht nach Menschlichkeit und befreit sich selbst.

© Monika Rittershaus

Midas, der arme Eseltreiber, befindet sich in einer ähnlichen Situation wie Danae. Auch er strebt zunächst nach Macht und Reichtum. Im zweiten Akt droht Jupiter ihm, dass die Gabe, alles in Gold verwandeln zu können, sich gegen ihn wenden wird. Als die Wand näher rückt, wird Midas’ physischer und psychischer Raum auf ein Minimum reduziert, und die Geschichte erreicht schließlich ihren dramatischen Höhepunkt: Als Midas Danae berührt, erstarrt sie zur goldenen, leblosen Statue. Die Flamme der Liebe brennt jedoch in seinem Herzen. Seit diesem Moment ist Gold für ihn nicht mehr wertvoll, sondern wertlos geworden.

Freiraum über Strauss‘ politisch-ethische Haltung
Im Schlussbild wird das zerstörte München des Zweiten Weltkriegs auf eine Leinwand projiziert. Das Filmmaterial wechselt zu Montagen, in denen Richard Strauss, der rätselhafte Münchner, entspannt durch seine Garmischer Villa spaziert. Claus Guth erklärt seine Überlegungen in einem Interview:
„Was klar ist: Strauss war weder ein unpolitisches Opfer noch ein überzeugter Anhänger des NS-Regimes. Es ist kaum zu bestreiten, dass er die Machtübernahme zunächst hoffnungsvoll begrüßte und sich nach und nach vom neuen Regime vereinnahmen ließ. Andererseits weigerte er sich jedoch, seine Zusammenarbeit mit Stefan Zweig aufzugeben, der nach den rassistischen Maßstäben der Nationalsozialisten als ‚Volljude‘ galt. Zudem sorgte er sich um seine Schwiegertochter Alice, die ebenfalls als ‚Volljüdin‘ galt. All dies führte zu Konflikten mit den Machthabern. Dieser winzige Ausschnitt zeigt, wie kompliziert es ist, ein klares Urteil über die politisch-ethische Haltung dieses Komponisten zu fällen.“

Kunst stellt Fragen, aber sie gibt keine Antworten. Claus Guth hat hier den Freiraum geschaffen, in dem jeder Zuschauer seine eigene Interpretation finden kann. Dennoch gelingt es ihm, die heitere Mythologie ironisch, humorvoll und klar zu erzählen und die Modernität des Stoffes erfolgreich zu enthüllen.

© Geoffroy Schied

Starke Besetzung
Musikalisch wird man von Strauss’ Klangreichtum überwältigt. Sebastian Weigle geht mit kraftvoller Präsenz an die Partitur heran. Man spürt, wie die reiche und vielfältige musikalische Sprache von Strauss zu einer Einheit verschmilzt und in den letzten Jahren seines Schaffens erstrahlt.

Die schwedische Sopranistin Malin Byström, die in der Premiere Danae singen sollte, sagte aufgrund eines grippalen Infekts kurzfristig ab. Die Retterin der Premiere war Manuela Uhl, die in letzter Minute die Titelpartie übernahm und diese szenisch hervorragend darstellte. Das selten gespielte Spätwerk war seit 2016 nicht mehr auf dem Spielplan eines größeren deutschen Opernhauses. Manuela Uhl hatte die Partie bereits 2016 an der Deutschen Oper Berlin ebenfalls unter der musikalischen Leitung von Sebastian Weigle gesungen. Dank ihres außergewöhnlichen Gedächtnisses konnte die Premiere wie geplant stattfinden. Sie erntete für ihre warme und wunderschöne Stimme sowie die kurzfristig erarbeitete, beeindruckende Darstellung von Danae begeisterten Applaus vom Publikum. In der Folgevorstellung am 15. Februar schließlich gab die inzwischen genesene Malin Byström ihr Rollendebüt als Danae mit großem Erfolg und wurde ebenfalls für ihre lyrisch-dramatische Stimme gefeiert.

Der Grammy-Preisträger Christopher Maltman gab sein Rollendebüt als Jupiter. Ohne Zweifel zählt er zu den führenden dramatischen Baritonen der Gegenwart und verlieh Jupiter eine sonore und kraftvolle Stimme, die an Wagners Wotan erinnerte. Andreas Schager gab sein Rollendebüt als Midas und überzeugte mit seinem kraftvollen Tenor. Als erfahrener Heldentenor hat er zahlreiche große Partien, vor allem in den Opern von Wagner und Strauss, gesungen. 2025 wird er bei den Bayreuther Festspielen zwei Titelrollen übernehmen und auch in Berlin und Wien in verschiedenen Wagner-Inszenierungen auftreten.

Getong Feng, 21. Februar 2025


Die Liebe der Danae
Richard Strauss

Bayerische Staatsoper

Besuchte Vorstellungen: 7. und 19. Februar 2025
Premiere am 7. Februar 2025

Inszenierung: Claus Guth
Musikalische Leitung: Sebastian Weigle
Bayerisches Staatsorchester

Nächste Aufführungen: 19./22. Juli 2025, Münchner Opernfestspiele

Trailer