Bregenz: „Don Quichotte“

Jules Massenet

Premiere vom 18.7.2019

Jules Massenet war bereits 68 Jahre alt, als die Uraufführung seiner Oper „DON QUICHOTTE“ in Monte Carlo am 19. Februar 1910 stattfand. Beeindruckt von der Geschichte Cervantes um den Ritter der traurigen Gestalt und dessen Schicksals, schrieb Henri Cain das Libretto. Keinem geringeren, als dem berühmten russischen Bassist Fjodor Schaljapin, widmete Massenet diese Oper. Der war ungeheuer berührt von dieser Rolle. Das Werk hatte einen großen Erfolg.

Dass es eine ganz spezielle Sicht auf die Handlung geben wird, war schon vor Beginn der Aufführung zu erkennen. Auf einer Leinwand vor dem roten Vorhang wurde Werbung eines Großkonzerns für Rasierklingen gezeigt und man war irritiert, dies in der Oper zu sehen. Darin wurde dem Männerideal gehuldigt. Da erhob sich aus dem Zuschauerraum eine empörte Stimme und tat ihren Unmut über diese Art der Werbung lauthals kund. Dieser „Zuschauer“ gehörte zur Inszenierung und leitete so bereits über zum Thema des Don Quichotte, welcher im Kampf gegen sichtbare und unsichtbare Bedrohungen seinen Weg geht.

Wir erleben dann einen Lauf durch die Zeit in den fünf total unterschiedlichen Bühnenbildern. Das erste Bild erfüllt die Erwartungen an eine Aufführung dieser Oper in klassischen Kulissen. Hier ist alles genauso, wie es wohl bei der Uraufführung schon ausgesehen hatte. Der Chor tanzt und spielt und Dulcinée singt vom Balkon. Don Quichotte erscheint auf seinem Pferd und Sancho Pansa mit dem Esel.

Im zweiten Akt werden wir direkt in die heutige Zeit katapultiert. Wir befinden uns in einem Badezimmer, wo Don Quichotte während dem Rasieren sein neues Gedicht erarbeitet und Sancho Pansa mit Laptop als langhaariger Rocker sitzt. Während Don Quichotte sich duscht, beklagt sich Sancho über sein karges Leben und die Frauen, welche alle Macht über die Männer haben.

Die kleine Ventilator oberhalb der Dusche welcher sich dreht, erscheint für Don Quichotte plötzlich als Bedrohung und er beginnt mit den Utensilien im Badezimmer einen Kampf gegen die immer grösser werdende eingebildete Bedrohung. Eine unglaublich originelle Umsetzung.

Der dritte Akt zeigt uns eine mit Graffiti besprayte Mauer und wir sehen Don Quichotte als Spiderman zusammen mit dem ängstlichen Sancho. Als ein paar Jugendliche auftauchen, meint Don Quichotte eine ganze Armee von Banditen zu erkennen und als diese als heutige Gang dargestellten Räuber über ihn herfallen und ihn bedrohen, fängt Don Quichotte zu beten an. Die halbstarken Jungs werden vor Rührung zu schwachen, emotionalen Menschen. Sie geben dem Ritter die gestohlene Kette von Dulcinée wieder retour und erbitten seinen Segen.

Das vierte Bild führt uns in einen Bürobetrieb, wo der normale Alltag herrscht. Dulcinée als umschwärmte Frau und die normalen Machtkämpfe innerhalb eines Betriebes. Als Quichotte erscheint um die gestohlene Kette retour zu bringen, ist Dulcinée begeistert. Als er ihr einen Heiratsantrag macht, wird er von Dulcinée und den Kollegen ausgelacht. Nachdem die beiden alleine sind, entschuldigt sich Dulcinée und wird von Don Quichotte gesegnet. Kaum hat sie den Raum verlassen, wird er erneut von den anderen ausgelacht. Sancho verteidigt seinen Herrn und verurteilt die Oberflächlichkeit der Menschen.

Im Schlussbild erscheint Dulcinée alleine und setzt sich vor eine Guckkastenbühne, auf welcher Don Quichotte mit Sancho vor einem wunderschönen Prospekt steht und geschwächt seinen Tod erwartet. Rückblickend auf seine Taten verspricht er Sacho eine Trauminsel. Als er die Stimme von Dulcinée vernimmt, stirbt er.

Mit dieser Inszenierung ist MARIAME CLÉMENT eine ganz neue Sicht auf die Geschichte dieser traurigen Gestalt gelungen. Man ist von Anfang an gefangen von den Ideen und kann auch herzhaft lachen über die Situationen, obwohl immer das Mitleid vorhanden ist. Es war auch faszinierend zu entdecken, wie oft der Text zu den umgesetzten neuen Bildern passte. Das unglaublich vielseitige Bühnenbild und die Kostüme von JULIA HANSEN, sowie die Lichtgestaltung von ULRIK GAD sind ein Wurf.

Es ist auch gelungen, ein Ensemble zu finden, welches idealer nicht für eine solche Umsetzung denkbar ist.

An allererster Stelle muss GABOR BRETZ genannt werden, welcher seinen ersten Don Quichotte gesungen hat und mit seiner Stimme diese Rolle bestens ausfüllt. In dieser Inszenierung ist eine bedeutende schauspielerische Leistung zu erbringen und diese wurde voll und ganz erfüllt.

DAVID STOUT als Sancho Pansa überzeugte mit seiner sehr flexiblen Stimme als gefühlsvoller Begleiter des Ritters, aber auch als wütender Mann. Die Dulcinée wurde ANNA GORYACHOVA mit tiefem Mezzo und viel Eleganz gesungen. Sie passte Ideal in die Rolle dieser arroganten aber auch leidenden Frau.

Die jungen Sänger LÉONIE RENAUD als Pedro, VERA MARIA BITTER als Garcias, PAUL SCHWEINESTER als Rodriguez und PATRIK REITER als Juan haben in Ihren Partien bestens harmoniert und mit großem Engagement gespielt. ELIE CHAPUS als Anführer der Banditen spielte diesen Part äußerst glaubhaft. FELIX DEFÈR war der Mann im Zuschauerraum, welcher das Publikum am Anfang verwirrte.

Großartig auch der PRAGER PHILHARMONISCHE CHOR, welcher eine unglaubliche Spielfreude zeigte und hervorragend sang. Kompliment für diese Leistung. Am Pult der WIENER SYMPHONIKER stand der junge Dirigent DANIEL COHEN. Unter seiner Leitung entfaltete das Orchester einen sehr emotionalen und differenzierten Klang dieser wunderbaren Musik von Jules Massenet.Fazit: Man kann diese Aufführung als Gesamtkunstwerk betrachten.

© Bregenzer Festspiele/ Karl Forster

Marco Stücklin 30-7-2019

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